Glamour, Gauner und Juwelen - Contra-Kreis-Theater- kultur 137 - Juni 2017

Glamour, Gauner und Juwelen
Foto: Contra-Kreis-Theater
Glamour, Gauner und Juwelen
Foto: Contra-Kreis-Theater

Kinoreife Mords-Komödie



Kurz vor den Filmfestspielen in Cannes 2017 lief im Bonner Contra-Kreis schon eine palmenverdächtige Thriller-Komödie an, die amüsant hinter die Kulissen des Starbetriebs an der französischen Riviera blickt. Inkl. Anspielungen auf Kinoklassiker wie Hitchcocks Über den Dächern von Nizza. Für übertriebene Seriosität ist der Landstrich an der französischen Mittelmeerküste nicht bekannt. 2013 wechselten im Luxushotel Carlton in Cannes immerhin Juwelen im Wert von mehr als 100 Millionen Euro nicht ganz rechtmäßig den Besitzer.
Sehr professionell wirkt der Einbrecher, der über den Balkon in die teure Suite von Filmdiva Grace Gervaise schleicht, trotz schwarzer Strumpfmaske freilich nicht. Außerdem gerät der blutige Anfänger sofort arg aus dem Konzept: Grace liegt leblos auf dem Sofa – und das wenige Stunden vor der Premiere ihres neuen Films, der ein echter Kassenschlager werden soll. Bevor der kleine Gauner Jimmy das Weite suchen kann, scharen sich um die ziemlich dekorative Leiche auch schon ihr Kinopartner Adam und ihr Manager Oscar. Sowie Hoteldirektor Boniface, der zu allem gute Miene macht, sofern der Ruf seines Etablissements keinen nachhaltigen Schaden nimmt. Die Trauer um Graces‘ plötzliches Ableben hält sich in Grenzen, zumal die Dame schnell quietschfidel wieder ins Reich der Lebenden wechselt. Dafür fallen im Verlauf der Geschichte fast alle anderen ins Scheinkoma.
Contra-Kreis-Chef Horst Johanning hat das mörderische Spiel um Wirklichkeit und Illusion bezaubernd ironisch im Stil des „Film noir“ inszeniert. Im Bühnenbild von Tom Grasshof und in den Kostümen von Anja Saafan agiert das aufgeweckte Ensemble mit einer frischen Energie, die selbst ausgefuchste Krimifans in Verlegenheit bringen könnte. Obwohl die irren Zufälle eher vorhersehbar sind und die ganze Konstruktion ein gnadenloser Witz ist.
Kerstin Kallewege brilliert in kostbaren Outfits als nicht mehr ganz junger Filmstar Grace, der scharfzüngig eigene Fäden spinnt. Alexander von der Groeben als Ehemann Oscar nimmt ihre Kopfnüsse (medizinisch verraten sei: Erdnüsse bekommen nicht jedem) unerschütterlich sportlich. Schließlich war er in den 1980er Jahren mal ein erfolgreicher Judoka. Stefan Gebelhoff als Adam, der an der Seite von Grace in den Starhimmel aufsteigen möchte, gibt den feurigen Liebhaber, der möglicherweise nicht ganz so gepolt ist, wie alle erwarten. Wolf-Guido Grasenick spielt den Amateurgauner, der den Reizen der jungen Schönheit Hailey (frisch engagiertes Talent von der Alanus-Hochschule: Olja Artes) verfallen ist.
Eine Nummer für sich ist Rolf Berg als eleganter Monsieur Boniface, der sein angeklebtes Menjoubärtchen immer erst zurechtrücken muss, bis er den Hercule Poirot der Provence mimen kann. Und am liebsten das ganze total verrückte Künstlerpack los wäre, das da in einem falschen Film richtige Rollen behauptet. Oder die Wirklichkeit als großes Kino betrachtet. Täuschend echt ist jedenfalls das Brillantencollier, mit dem Grace auf den roten Teppich spaziert. Okay, einer ihrer vielen B-Movies ohne Gold-Chance. Da hilft auch kein Superskandal mehr.
Egal, welche Juwelen nun echt sind oder plumpe Fälschungen: Hawdons kriminell vergnügliche neue Boulevard-Komödie aus dem reizend altmodisch geschilderten Milieu der Côte d‘Azur ist ein glänzender Volltreffer und wurde bei der Premiere entsprechend gefeiert. Vergessen Sie Netflix und gönnen Sie sich wirkliches Schauspiel! E.E.-K.
Spieldauer ca. 2 Std., eine Pause
Die nächsten Vorstellungen:
täglich außer montags bis 16.07.2017

Dienstag, 12.09.2017

Zurück

Merkliste

Veranstaltung

Momentan befinden sich keine Einträge in Ihrer Merkliste.



Letzte Aktualisierung: 29.03.2024 11:01 Uhr     © 2024 Theatergemeinde BONN | Bonner Talweg 10 | 53113 Bonn