Tobias Mann - kultur 134 - März 2017

Ein Blick für die Schattierungen des Grau
- Tobias Mann erhält den Deutschen Kleinkunstpreis 2017

von Thomas Kölsch
Quirlig: So könnte man wahrscheinlich Tobias Mann am treffendsten charakterisieren. Quirlig und gewitzt, mit einem immensen Scharfsinn und ebensolcher Leidenschaft. Der 40-Jährige ist ein Energiebündel, aber auch ein brillanter Beobachter gesellschaftlicher Zu- und Missstände, der angesichts zunehmender Probleme einfach nicht stillhalten kann. Zum Glück. Anfang des Monats erhält er dafür den Deutschen Kleinkunstpreis, dessen Jury Mann zu einer „wichtigen Stimme seiner Generation“ erklärt hat. Und das über einen Künstler, der einst beim Mainzer Karneval seine ersten Bühnenerfahrungen gemacht hat. Diesen Sprung schaffen nur die Wenigsten. „Dabei habe ich den Weg nie als sonderlich weit empfunden“, gesteht Mann im Interview. „Ich habe einfach immer das aufgenommen, was in mir hochkam, ohne auf irgendwelche Genregrenzen zu achten.“ Mag sein. Doch zugleich hat er immer an sich gefeilt, ist von Jahr zu Jahr besser geworden, tiefgründiger und klarer. „Ich bin einfach unglaublich hart zu mir selber“, sagt er. „Ich gehe fast nie von der Bühne und bin mit allem zufrieden – und dann schaue ich eben, was ich besser machen kann.“

Die Hinwendung zum politischen Kabarett ist bei Tobias Mann jedoch noch durch etwas anderes motiviert: Seinen Sohn Oskar. „Es klingt unglaublich klischeehaft, aber nachdem er geboren war, hat sich meine Sicht auf die Welt verändert“, erklärt er. „Mir wurde klar, dass ich Oskar dabei helfen musste, in einer Welt klarzukommen, mit der ich selbst nicht so wirklich klarkomme.“ Also fing er an, Fragen zu stellen. Und sich selbst gewisse Regeln aufzuerlegen. Nie nach unten treten, sondern immer nach oben schießen, keine Auseinandersetzung scheuen und keine Klischees ausschlachten. „Vor allem letzteres können wir eigentlich mittlerweile überhaupt nicht mehr gebrauchen“, meint Mann. „Wenn ich alle in eine Ecke stelle, schaffe ich ganz schnell Feindbilder. Dabei ist diese Schwarz-Weiß-Malerei völlig absurd und aus der Zeit gefallen. Was wir uns vielmehr anschauen müssen, sind die vielen Schattierungen von Grau.“ Gleichzeitig gibt Mann zu, dass dadurch der Humor nicht gerade einfacher wird – zumal auch die Welt immer verrückter zu werden scheint. „Das große Problem der Satire ist ja, dass sie übertreiben muss, um zu wirken. Aber versuchen Sie das einmal bei jemandem wie Donald Trump. Mich interessiert daher vielmehr, warum er mit all seinen Aktionen durchkommt und wo sich die Trumpisierung noch beobachten lässt. Hier in Deutschland zum Beispiel, wenn auch in kleinerem Maßstab. Dabei muss ich mich aber immer selbst hinterfragen, um nicht das Spiel der anderen mitzuspielen und ihnen eine größere Plattform zu bieten, als sie verdienen.“

Doch kann Kabarett tatsächlich etwas verändern? Nun, die Welt vielleicht nicht. Aber den Menschen. „Ich glaube, wenn jemand aus meiner Show geht und ein oder zwei Gedanken mitnimmt, die er zuvor nicht hatte, dann ist das schon phänomenal“, sagt Mann. „Gerade in der heutigen Zeit brauchen wir dringend neue Sichtweisen, und ich sehe es als meine Aufgabe, diese zumindest anzudeuten.“ Wenn die nur Wurzeln schlagen würden. „Ich kann gut verstehen, dass Volker Pispers mitunter daran verzweifelt ist, immer wieder die selben Themen ansprechen zu müssen“, gesteht Mann. „Mir selbst ist das in den vergangenen zwei Jahren auch mehrfach so ergangen. Dass wir wieder erleben müssen, wie Fremdenfeindlichkeit und Nationalismus salonfähig werden, erschreckt mich zutiefst.“ Und spornt doch nur an, weiterzumachen. Den Kampf gegen Ignoranz und Intoleranz aufzunehmen und Perspektiven schaffen. Die Kraft dafür zieht er aus dem Publikum, sagt er. Und aus selbstgemalten Bildern seines Sohnes sowie einem rosa Häkelschwein. „Das sind meine Glücksbringer“, gesteht Mann, der neben seinen Soloauftritten seit nunmehr fünf Jahren regelmäßig das WDR Kabarettfest moderiert. „Ich habe nach all den Jahren immer noch extremes Lampenfieber, da brauche ich so etwas. Sobald ich allerdings endlich auf der Bühne stehe, ist alles in Ordnung. Dann beflügelt mich der Austausch mit den Gästen sogar. Wenn ich mit einem anderen Künstler zusammen Musik machen kann oder beim Publikum spüre, dass ich es bewegt habe, weiß ich, warum ich liebe, was ich tue.“

Donnerstag, 31.08.2017

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