Der Zorn der Wälder (Uraufführung) - Werkstatt (Theater Bonn) - kultur 134 - März 2017

Der Zorn der Wälder
Foto: Thilo Beu
Der Zorn der Wälder
Foto: Thilo Beu

Verbrannte Erde


Da ist dieser blasse Typ im Detektiv-Trenchcoat. Jung, schmal, cool. Sein Name: Gordon Pritchet. Und blendend genau gespielt von Manuel Zschunke, der stets den Eindruck erweckt, im falschen Film gelandet zu sein. Der Auftrag ist grundsätzlich klar: Herausfinden, wo der Bestattungsunternehmer Henry Carsons steckt, der alle Leichen wunderschön fürs ewige Leben präparierte, bis er seine Werkstatt urplötzlich verließ. Leider auch seine treue Gattin Emma (geheimnisvoll verkörpert von Lara Waldow, die ein bisschen aussieht wie die amerikanischen Kinostars kurz nach dem Zweiten Weltkrieg). „Das Ganze stank vor gestorbenen Sehnsüchten“, konstatiert Ermittler Pritchet.
Stimmt erst mal, ist aber nur der Anfang einer Spurensuche unter Verwendung von Motiven des amerikanischen Schriftstellers Henry Thoreau, dessen 1854 erschienener utopischer Aussteiger-Roman Walden eine Art Bibel des zivilen Ungehorsams wurde. Es ging ihm keineswegs bloß um Entsagung, sondern um ein Leben, das anderes Leben nicht zerstört. Also um nichts weniger als die Erlösung einer zukünftigen Menschheit. Zurück in die noch verbliebenen Naturreservate, Rohkost fressen, Feuersteine reiben und ein bisschen Dschungelcamp spielen, um das Kapital der Medienkonzerne zu mehren? Eine Revolte anzetteln, wie die elegante Charlotte Toreau (der Name kann kein Zufall sein) es vorschlägt? Ist schon möglich, dass dieses Metropolen-Salongewächs (glänzend verkörpert von Johanna Falckner) den braven Henry für ihre eigenen Zwecke umgarnte.
Immerhin baut er statt Särgen nun Holzwege, suhlt sich nackt im eigens in großen Sä­cken herangeschleppten grauen Mulch und trägt munter Lederlendenschurz zu blanker Haut. Daniel Breitfelder gibt den quicklebendigen Totengräber, der im Wald sein Glück findet. Dann ist da noch Benjamin Berger als grunzender Querkopf Hawkins, der sich vom Hinterwäldler zum eloquenten Vordenker entwickelt.
Kluge Sentenzen produzieren indes alle in diesem bitter ironischen Spiel um verlorene Utopien. Im Auftrag von Schauspiel Bonn verfasst von Alexander Eisenach, der am Schauspiel Frankfurt 2016 sein Stück Der kalte Hauch des Geldes herausbrachte und auch sonst gern die Verwilderung der Welt scharfsinnig beobachtet. Seinen Zorn der Wälder hat Marco Štorman als groteske Sprechoper inszeniert. Zur bizarr-bombastisch verfremdeten Kinomusik (Gordian Gleiss) in der Ausstattung von Anika Marquardt.
Ziemlich sicher weilt Pritchet am Ende nicht mehr unter den Lebenden. Der mit politisch aktuellen Gedanken-Stolpersteinen und tiefschwarzem Humor intelligent gepflasterte Weg dahin lohnt jedoch eine Besichtigung. Empfehlenswert eher für erwachsene Menschen, die immer schon ahnten, dass ein demokratisch gewählter Immobilien-Tycoon irgendwann mal den Code zur Zerstörung großer Teile unseres Globus besäße. Das ist mittlerweile Fakt und durch Weltflucht nicht zu beschönigen.

Spieldauer ca. 1½ Std., keine Pause

Die nächsten Vorstellungen:
9.03. / 15.03. / 31.03. / 6.04. / 12.04. / 21.04.17

Dienstag, 29.08.2017

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