Der Geizige - Kleines Theater Bad Godesberg - kultur 134 - März 2017

Der Geizige
Foto: Kleines Theater Bonn
Der Geizige
Foto: Kleines Theater Bonn

Geld und Liebe



Harpagon ist verliebt. Vor allem in seine Goldschatulle. Weniger in seine junge Braut, die sein Sohn heimlich anbetet. Der Haussegen hängt mehr als schief in der Familie des alten Geizkragens, der es durch zweifelhafte Geldgeschäfte zu einigem Reichtum gebracht hat. Ohne Mitgift! Das ist das Einzige, was den wohlhabenden Witwer bei der geplanten Verehelichung seiner Tochter interessiert. Kein anderes Argument zählt. Ungerührt wiederholt er nur das eine: Ohne Mitgift. Peter Nüesch spielt den Geizhals und hat Molières 1668 uraufgeführte Prosakomödie im Kleinen Theater Bad Godesberg auch selbst inszeniert. Nüesch mit struppig hochgebürs­tetem Grauhaar zieht Grimassen, rollt das „r“ nach alter Schauspielermanier, wuselt als grotesker Giftzwerg durch die Salon-Szenerie (Bühnenbild: Mario Clos) und zelebriert geilen Geiz. Häufig wendet er sich direkt ans Publikum und macht es nach schöner Komödientradition zum Komplizen seiner mehr oder minder listigen Intrigen. Dass der neureiche bürgerliche Patriarch im Eifer seiner Geldgier das Versteck seiner innig geliebten Schatulle beinahe selbst verrät, ist ein hübscher Nebeneffekt in dem an amüsanten Missverständnissen reichen Spiel.
Allfällige Kapitalismuskritik erspart sich die Regie, die auf Molières Verwurzelung in der Commedia dell’Arte setzt. Witzig unterstreichen das die Kostüme von Hanne Eckart: Die jungen Damen tragen die ­his­torischen Krinolinen-Unterröcke über modernen Leggings, die jungen Herren kombinieren Jacken und Westen gern mit ausgewaschenen Jeans. Schon Goethe betrachtete den Generationenkonflikt im „Geizigen“ als durchaus tragisch. Hier brennen lebendige Herzen, auf Sparflamme gehalten von der väterlichen Sucht nach wucherndem Kapital. Entzückend verkörpert Vanessa Frankenbach sein naives Töchterchen Elise, heimlich verlobt mit dem noblen Neapolitaner Valère, der sich ihr zuliebe sozusagen ehrenamtlich als Hausverwalter bei Harpagon verdingt hat. Konstantin Hertel bewahrt eiserne Haltung in allen Konflikten.
David Imper als Harpagons Sohn Cléante hat‘s an der kurzen Finanzleine seines Erzeugers echt schwer. Nach dessen Plänen so gut wie verkauft an eine zahlungskräftige Witwe, aber heillos verknallt in die mittellose Halbwaise Mariane (reizend: Alice Erk), die seine Gefühle erwidert und nun an der Seite seines Vaters seine Stiefmutter werden soll. Impers Cléante ist hier kein verschwenderischer Sonnyboy, der die Adeligen mal übertrumpfen möchte, sondern ein aufgeweckter junger Mann, der gegen die väterliche Dominanz zornig ein eigenes Leben verlangt.
Ein echtes Kunststück sind die doppeldeutigen Dialoge, wobei Gabriele Schulze als Heiratsvermittlerin Frosine das Sparpotenzial der avisierten Braut so überzeugend berechnet, dass selbst Harpagon nur noch jubeln kann. Meis­ter Jacques – mit Hungerlohn beschäftigter Koch und Kutscher – spricht solides Schwäbisch (Oliver Grabus spielt köstlich auch Cléantes Diener La Flêche, der flugs die Schatulle klaut) und kapiert wenig.
Zur heiteren Lösung aller Verwirrungen braucht man noch einen britischen Detektiv und einen quicklebendigen Anselmo aus Neapel (beides lustig gemimt von Stefan Krause). Die skurrile Familienzusammenführung inkl. dramatischem Deus ex Machina würden wir gern auf Frosines Konto verbuchen, wenn Molière nicht selbst die Urheberrechte für diesen ironischen Theatertrick hätte. Egal: Die jungen Paare sind glücklich vereint, Harpagon umarmt selig seine Kassette. Alle sind robuste Typenkarikaturen, leicht angestaubt zwischen Geldgier und Lebenslust.
Freundlicher Premierenbeifall mit ein paar Bravos für die unsterbliche Hauptfigur. E.E.-K.

Spieldauer ca. 2 ¼ Stunden inkl. Pause
Im Programm wieder vom 7. - 24.03.17

Dienstag, 29.08.2017

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