Don Giovanni - Oper Bonn - kultur 132 - Januar 2017

Don Giovanni
Foto: Thilo Beu
Don Giovanni
Foto: Thilo Beu

Magie des großen Verführers


Die Arena ist schwarz und leer hinter dem runden roten Zirkusvorhang. Dahinter erscheint eine in scheinbar endlosen Spiralen in die Tiefe laufende Wendeltreppe. Später dient dieser graue Abgrund auch für die Figuren, die Don Giovanni wie ein Dompteur vorführt. Regisseur Jakob Peters-Messer sieht den amüsierfreudigen Wüstling in Mozarts 1787 uraufgeführtem „Dramma giocoso“, der zweiten Zusammenarbeit des Komponisten mit dem Librettisten Da Ponte, als einsamen Spaßmacher. Als eine Art Zirkusdirektor, der rücksichtslos und ohne gesellschaftliche Bindung die Grenzen seiner Lebensgier erprobt und buchstäblich verbrannte Erde hinterlässt.
In dem von Kreisformen bestimmten Bühnenbild von Ausstatter Markus Meyer ist Don Giovannis moralfreies Leben ein Kreislauf von Tod zu Tod – beginnend mit der ungewollten Tötung des Komturs (neu im Ensemble: der junge rumänische Bass Leonard Bernad), endend mit der Versteinerung am runden Tisch seines letzten Gastmahls. Zwischendurch hat er nachdenklich kurz den kleinen Totenschädel betrachtet, der am Ende überlebensgroß im Hintergrund auftaucht. Das langjährige, beliebte Ensemble-Mitglied Giorgos Kanaris ist mit seinem virilen, volltönenden Bariton ein großartiger Interpret dieses differenziert betrachteten Don Giovanni, der zwischen Begehren und Widerwillen schwankt. Bei der Champagnerarie schwingt er die Zirkuspeitsche und entfacht sogar ein kleines Feuerwerk. Denn der unersättliche Liebhaber spielt gern mit dem Feuer.
Mit einem Zirkusreifen fängt er die reizende Zerlina ein, der Kathrin Leidig ihren hellen Mezzosopran leiht. Kostümiert wie die Colombine der Commedia dell’Arte, ist sie hier nicht bloß das naive Bauernmädchen, sondern eine gewitzte junge Frau, die die Avancen des adeligen Galans genießt und als soziale Aufstiegsmöglichkeit begreift. Bräutigam Massetto (der junge Bass: Daniel Pannermayr) ist bei dem viel versprechenden Duett „Là ci darem la mano“ raus aus dem Geschäft, wird sich diese schnöde Abfertigung aber nicht bieten lassen und energisch weiter kämpfen.
Ein bisschen wie Don Giovanni sein möchte auch der brave Don Ottavio, dessen Braut Donna Anna Objekt eines nächtlichen Abenteuers des schamlosen Schwerenöters mit tödlichen Folgen für ihren innig geliebten Vater wurde. Die koreanische Sopranistin Sumi Hwang, die hier kürzlich schon als Mimi in La Bohème überzeugte, gibt hinreißend die in ihren Gefühlen verwirrte junge Frau und wurde bei der Premiere mit entsprechend herzlichem Beifall belohnt. Der junge Tenor Christian Georg glänzt mit seiner voller Empfindung gesungenen Arie „Dalla sua pace“ und dem tapferen Bemühen, die Familienehre zu retten.
Liebe ist bei all dem kaum im Spiel, außer vielleicht bei Donna Elvira, der nicht mehr blutjungen, aber höchst attraktiven Ex-Gattin Giovannis. Susanne Blattert hat neben ihrem eleganten Mezzosopran auch die dramatische Ausstrahlung für die (eigentlich einem Sopran zugedachte) Partie. Sie will den treulosen Lover zurückhaben, der sie kurzerhand für verrückt erklärt und in einer ziemlich gemeinen Volte seinem Diener Leporello überlässt. Diese komische Figur ist längst eine Paraderolle des beweglichen Bassbaritons Martin Tzonev, der spielerisch die ansonsten eher kühle Inszenierung aufmischt. Ein melancholischer Clown, der seinem launischen, selbstverliebten Herrn stets ebenso treu ergeben wie durchtrieben zur Seite steht. Nicht ohne heimliches Vergnügen präsentiert er der unglücklichen Elvira seinen berühmten „Leporello“, der allein in Spanien „mille tre“ amouröse Erfolge seines Meisters verzeichnet.
Die Jonglier-Keulen, mit denen Leporello anfangs spielte, werden in den Händen des Volkes zu Prügelinstrumenten. Der Chor unter der Leitung von Marco Medved stolpert reichlich angeheitert um die Manege, in der der unverbesserliche Libertin Don Giovanni höhnisch sein „Viva la libertà!“ anstimmt, bis selbst seine adeligen Feinde jubelnd mitsingen. Am Vorabend der französischen Revolution feiert die herrschende Klasse ihre Freiheit zu Müßiggang und feudaler Belustigung. Es geht in Mozarts Oper nicht bloß um die individuelle Unmoral eines Einzelnen und dessen Bestrafung, sondern um den Untergang eines gesellschaftlichen Systems, das sich selbst sein Grab schaufelt.
Am Pult des Beethoven Orchesters Bonn (etliche Musiker machen auch auf der Bühne bei Don Giovannis großem Fest gute Figur) sorgt Stephan Zilias für fein abgestimmte Farbigkeit und dramatische Zwischentöne. Er arbeitet sorgfältig die rhetorischen Momente der Musik heraus, die den Zwiespalt zwischen gespenstischer Komik und tragischer Verblendung öffnen. Don Giovanni im Teufelskreis der zirzensischen Maskerade. Begeisterter Premierenbeifall für eine bemerkenswerte Inszenierung und die hervorragenden sängerischen Leistungen. Bemerkenswert ist zudem, dass alle Partien aus dem festen Solisten-Ensemble der Oper Bonn besetzt sind. E.E.-K.
Spieldauer ca. 3¼ Std. inkl. einer Pause
Die nächsten Vorstellungen: 8.01., 14.01., 26.01., 31.01.17.

Auch bei dieser Inszenierung sind die menschlichen Opernführer ­wieder im Einsatz (Kennzeichen: roter Schal). Wenn Sie Fragen zu Stück, Autor oder Inszenierung haben: Einfach im Foyer ansprechen.

Dienstag, 24.01.2017

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