Mutti - Contra-Kreis-Theater - kultur 131 - Dezember 2016

Mutti
Foto: Contra-Kreis-Theater
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Politsatire mit Abseitsfallen


Die erfolgreiche Schriftstellerin und promovierte Juristin Juli Zeh, geboren 1974 in Bonn, war wütend auf die GroKo-Regierung und das Sys­tem Merkel. Das ist hierzulande glücklicherweise erlaubt. Die „groteske Komödie“, die sie mit ihrer Koautorin Charlotte Roos verfasste, braucht freilich keine mildernden Umstände. Das 2014 bei den Ruhrfestspielen als Koproduktion mit dem Nationaltheater Weimar uraufgeführte Stück Mutti ist schlicht belanglos. Gegen die geringe Halbwertzeit helfen auch die Kopfbälle nichts (ein paar Fouls wurden nach der Bonner Premiere zurückgenommen), mit denen Regisseur René Heinersdorff seine aktualisierte Version aufgepeppt hat.
Also: Die Spitzenpolitiker/innen der Republik haben sich zu einer Gruppentherapie eingefunden, um mit Hilfe des Psychologen Hellmann (!) ihre sozialen Interaktionen effektiver zu machen. Man kann das ‚Familienaufstellung‘ nennen: Angela ist die Gattin von Sigmar und die große Schwester von Ursula. Papa der beiden Damen ist Horst. Dummerweise läuft gleichzeitig in Moskau unter massivem Polizeischutz das Fußball-WM-Finale Deutschland gegen China, während ein Aufstand der Bauarbeiter in Katar die Fertigstellung des dortigen WM-Stadions gefährdet. Weshalb alle dauernd an ihren Smartphones kleben und den braven Mental-Coach (Claus Thull-Emden) ins Schwitzen bringen.
Nina Vorbrodt als Mutti Angie im zitronengelben Blazer macht leicht vorgebeugt mit hängenden Mundwinkeln unerschütterlich die bekannte Raute. Dorkas Kiefer als ehrgeizige Ulla verteidigt mit festgefrorenem Dauerlächeln ihre Stellung im Familien-Krieg. Gerhard Fehn als Siggi sieht eher nicht so aus wie ein ­Erzengel, sondern wie der selige Franz Josef, was aber koalitionstechnisch nicht groß ins Gewicht fällt. Frank Büssing als Horst darf fließend Bayrisch sprechen, hat ansonsten aber wenig zu sagen. Denn Angela simst lieber mit Jogi (Heinersdorff gönnt sich mit schwarzer Perücke einen schwäbelnden Video-Auftritt als Bundestrainer), weil ein Weltmeistertitel für Deutschland erst mal von weiteren globalen Krisen ablenkt. Wenn Sigmar angesichts der Gewalt in Russland und den Emiraten das Spiel abbrechen möchte, plädiert Mutti geradezu leidenschaftlich für ihre Jungs und bestimmt per Handy die finale Aufstellung. Den Ausgang der Partie zu verraten, wäre unfair. Zu den besten ­Pointen des Endspiels gehört jedoch der Satz: „Prinzipien sind etwas für Menschen, die nicht umdenken können.“ Ist zwar nicht total überraschend, aber in dem harmlosen Polit-Lustspiel schon ein intellektueller Glanzpunkt. Zwei mal 45 Minuten plus Pause sitzt eine Kanzlerin aus, die längst ganz andere Probleme meistern muss. E.E.-K.
Lief bis 27.11.16

Donnerstag, 19.01.2017

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