Das Fräulein von Scudery - Theater Die Pathologie - kultur 129 - Oktober 2016

Das Fräulein von Scudery
Foto: Pathologie Bonn
Das Fräulein von Scudery
Foto: Pathologie Bonn

Krimi aus der Zeit des Sonnenkönigs



Mademoiselle greift gern zur Feder und lässt sich auch sonst kaum aus der Fassung bringen. Wir befinden uns in Paris um 1680: Gleich zwei Mordserien beunruhigen die Stadt. Bei der einen ist ein neuartiges Giftpulver im Spiel, das keine Spuren außer lukrativen Erbschaften hinterlässt. Bei der anderen trifft es wohlhabende Herren auf dem nächtlichen Weg zu amourösen Abenteuern. Ein sauberer Stich ins Herz – nur der kostbare Schmuck, den sie ihren Angebeteten verehren wollten, bleibt unauffindbar. König Ludwig XIV. hat eine strenge Kommission eingesetzt, um die Räuberbande dingfest zu machen. Wobei auch etliche Unschuldige dran glauben müssen. Aber da gibt es noch die angesehene Hofdichterin Madeleine de Scudéry (1607 – 1701), die mit ihrem Bonmot „Un amant qui craint les voleurs, n’est point digne d’amour“ (Ein Liebhaber, der Diebe fürchtet, ist der Liebe nicht würdig) die galante Seite des Fürsten anspricht.
Der Dichter E.T.A. Hoffmann hat in seiner berühmten Erzählung Das Fräulein von Scuderi der französischen Kollegin ein Denkmal gesetzt. Im Bonner Südstadt-Kellertheater „Die Pathologie“ präsentiert dessen Intendantin Maren Pfeiffer nun die erste deutsche Kriminalnovelle in einer gelungenen Mischung aus szenischer Lesung und dramatischem Spiel. Hoffmanns romantisch-ironischer Erzählton bestimmt die Inszenierung, die die historische Situation kurz Revue passieren lässt, bevor ein höchst verdächtiges Kästchen auf dem Schreibtisch der alten Dame landet. Pardon: des 73-jährigen Fräuleins, denn die Verfasserin heroischer Romane und geistreicher Verse legt großen Wert auf ihren untadeligen Ruf. Martin-Maria Vogel spielt mit weißer Perücke und witzig angedeutetem Barock-Kostüm das erfahrene Salonkultur-Geschöpf. Ein winziges Lächeln huscht über sein/ihr weißgepudertes Gesicht, wenn wieder mal das ehrwürdige Alter genannt wird, das die Scuderi über alle geschlechtlichen Verwirrungen erhebt. Vogel vermeidet geschickt alles Tuntige und läuft als feinsinnige Aufklärerin zu Hochform auf.
Maren Pfeiffer gibt gleichermaßen virtuos des Fräuleins tapfere Dienerin Martiniere wie die königliche Maitresse Maintenon. Michael Policnik liefert am Akkordeon den koketten Sound zur Verbrecher­jagd und über­zeugt als robus­ter Hausgeist Baptiste oder als jugendlicher Heißsporn Olivier ebenso wie als wahnsinniger Goldschmied Cardillac. Die Tragödie dieses Künstlers ist hier eher ein Nebenschauplatz. Die preziös-sarkastische Mademoiselle hat nämlich ein rührendes und rettendes Geheimnis.
Das recht übersichtliche Premieren-Publikum spendete der intelligenten Vorstellung anhaltenden Beifall. Ein Sonderlob verdient die raffinierte Bühnenausstattung.
Kleiner Tipp für literarische Feinschmecker: In der 1820 erschienenen Erzählungssammlung „Die Serapionsbrüder“ geht der Scuderi-Novelle ein heiteres Gespräch übers Theater voraus. E.E.-K.
Spieldauer ca. 90 Min., inkl. einer Pause
nächster Termin: 16.10.

Donnerstag, 15.12.2016

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