Anne Frank - Tagebuch - Junges Theater im Thalia - kultur 128 - Juli 2016

Anne Frank - Tagebuch
Foto: actorsphotography
Anne Frank - Tagebuch
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Mädchen im
Hinterhaus-Versteck



Ihr Tagebuch gehört seit 2009 zum Weltdokumentenerbe der UNESCO. Anne Frank, 1929 in Frankfurt am Main geboren, gestorben 1945 im KZ Bergen-Belsen, wurde zu einer Symbolfigur für die Opfer des Holocausts. Zwei Tage nach ihrem 13. Geburtstag, an dem ihr ihr Vater ein kleines rot-weiß eingebundenes Notizbuch geschenkt hatte, begann sie mit den Aufzeichnungen, die sie weltberühmt machten. Die jüdische Familie war 1934 vor den Nazis nach Amsterdam geflohen. Wenige Wochen nach ihren ersten Tagebuch-Eintragungen musste Anne mit ihren Eltern und ihrer Schwester untertauchen. Mehr als zwei Jahre lang lebte sie mit weiteren Versteckten in dem engen Hinterhaus an der ­Amsterdamer Prinsengracht, wo für die Produktion des Jungen Theaters die Video-Aufnahmen gedreht wurden, die in Matthias Jochmanns eindrucksvoller Inszenierung zu sehen sind. Jochmann spielte als Jugendlicher im Nachwuchsensemble des JTB und hat mittlerweile als Regisseur in diversen Ländern gearbeitet.
Ein Tisch, ein Hocker und ein Radio genügen als Bühnenausstattung für die sensible Annäherung an die historische Figur der Anne Frank. Mona Mucke spielt das selbstbewuss­te Mädchen, lässt aber gleichzeitig das Wissen um ihr grausames Schicksal durchscheinen. Es ist nach Malala – Mädchen mit Buch bereits die zweite große Monologrolle der jungen Schauspielerin im Kuppelsaal der Thalia-Buchhandlung im Metropol. Immer wieder greift sie zur Gesamtausgabe von Anne Franks Tagebüchern, liest Passagen daraus vor. Das Buch, dem sie ihr Leben anvertraute, ist der Dialogpartner des Mädchens, das von einer Karriere als Schriftstellerin träumte. Eine genaue Beobachterin war sie, formulierte Einsichten zur Weltpolitik ebenso klug wie die vielen kleinen Alltagserfahrungen in der Gefangenschaft. Sie ist witzig und selbstironisch, beschreibt anschaulich die komischen Momente der prekären Situation und karikiert spöttisch das Verhalten ihrer Mitbewohner. Sie ist ein lebenslustiger Teenager, entdeckt ihre erwachende Weiblichkeit, kokettiert mit dem jungen Peter, inszeniert den ­ersten Kuss als Puppenspiel. Sie rebelliert gegen ihre Mutter, ist trotzig und ungerecht.
Es wären ganz normale emotionale Höhen und Tiefen eines pubertierenden Mädchens, wenn sich nicht ständig der Schre­cken einmischte. Muckes ganzer Körper scheint sich aufzulehnen gegen die quälende Enge des Refugiums und mühsam unterdrückte Angst. Sie hüpft, stürzt, steht wieder auf, trommelt wütend mit den Händen auf den Tisch. Manchmal erscheint ihr verstörtes Gesicht in Großaufnahme als Video-Projektion, gelegentlich klingt ihre Stimme verfremdet wie die Radioberichte aus der fernen Außenwelt. Manchmal keimt Hoffnung auf eine ­glückliche Zeit nach dem Krieg auf, während die Züge unerbittlich Menschen in Vernichtungslager transportieren. Wir wissen, dass die kleine jüdische Gemeinschaft des Amsterdamer Verstecks verraten wurde.
Trotz aller Intensität der Darstellung bewahrt die bewegende Aufführung eine nachdenkliche Distanz zu der faszinierenden jungen Persönlichkeit, die durch ihr Tagebuch unsterblich wurde. Bilder von den Gleisen zum Grauen umrahmen die Geschichte des Mädchens, das ungeheuer gern lebte und mit 15 Jahren der Nazi-Tötungsmaschinerie erlag. Ein leises jüdisches Trauerlied begleitet ihren Abschied aus der Welt der Lebenden in die unvergessliche ­Existenz als Weltliteratur.
Eine entschieden sehenswerte Aufführung! Mehrere Vorstellungen in der kommenden Saison sind jetzt schon ausverkauft. E.E.-K.

Spieldauer ca. 70 Min., keine Pause
die nächsten Termine :
29.09. ? 30.09. ? 27.10. ? 28.10. ?
8.12. ? 9.12.16
Empfohlen für Zuschauer ab 13 Jahren.

Donnerstag, 13.10.2016

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