Interview: Kabarett-Altmeister Richard Rogler kämpft für die Freiheit - kultur 126 - Mai 2016

"Ich freue mich über die Empörung
"

von Thomas Kölsch

Mit Wut kann Richard Rogler nicht viel anfangen. „Wut macht blind“, sagt er mit seiner sonoren Stimme, „damit läuft man nur gegen die Wand.“ Dann doch lieber Empörung. Damit lässt sich als Kabarettist arbeiten. „Es ist ein Irrglaube, dass man von der Bühne aus die Welt verändern könne“, erklärt der 66-Jährige, der zu den profiliertesten Vertretern seines Fache gehört. „Ich bin deswegen nicht enttäuscht oder desillusioniert und würde auch nicht aus diesem Grund aufhören. Ich kann als politischer Kabarettist nur versuchen, eine neue Sichtweise zu bieten. Und wenn sich die Leute dann empören, entweder über die Probleme unseres Landes oder über meine eigene Position, dann freut mich das. Darauf lasse ich mich gerne ein, denn Empörung fordert einen Diskurs.“ Einmal nachdenken statt einfach nur protes­tieren. So schwer es auch sein mag.

„Freiheit aushalten“ lautet der Titel von Roglers aktuellem Programm – so wie auch sein erstes Solo vor nunmehr 30 Jahren. Immerhin nimmt sich jeder die Freiheiten, die ihm gerade am besten in den Kram passen, ohne Rücksicht auf seine Mitmenschen. Damit wird ganz schön viel Schindluder betrieben, sagt Rogler. Beispiel Meinungsfreiheit: Diese ist unbestreitbar ein kostbares Gut, eine der höchsten Errungenschaften einer Gemeinschaft, aber muss denn wirklich alles gesagt werden, nur weil es gesagt werden kann? „Ich bin zum Beispiel der Meinung, dass die Schmährede von Jan Böhmermann über Erdogan mit Satire nichts zu tun hat“, erklärt Rogler. „Dahinter stecken ein billiger Trick und ein Haufen peinlicher Beleidigungen, und im Gegensatz zu Christian Ehring (dem Moderator der Satire-Sendung Extra 3, die mit ihrem Song über den türkischen Präsidenten zuvor für einiges Aufsehen gesorgt hatte; Anm. d. Red.) schreit Böhmermann ja nichts Politisches raus. Das ist ein PR-Gag, mehr nicht.“ Ein Grundkurs in Sachen Kabarett müsste also her. „Ja, aber der wird teuer“, sagt Rogler und lacht. Dabei könnte er ihn sogar erteilen: Im Jahr 2000 ernannte ihn die Universität der Künste Berlin zum Honorarprofessor, dem ersten und bisher einzigen seines Schlags. „Dort unterrichte ich allerdings nicht mehr, die kriegen keinen ordentlichen Kurs zustande“, winkt Rogler ab.

Ohnehin hat der geborene Franke und Wahlkölner mehr als genug zu tun. Immer schreiben, immer aktuell bleiben, immer am Puls der Zeit sein. Die Freiheit, auf die Bühne gehen zu dürfen, gibt es schließlich nicht umsonst. „Ich empfinde meinen Beruf als Privileg, er macht mir großen Spaß – aber je mehr Freiheiten Sie haben, um so mehr Verantwortung haben Sie.“ Für Rogler bedeutet das, sich auch in komplexe Themen intensiv einzuarbeiten. Vor allem die zunehmende Altersarmut macht ihm zu schaffen. „Dahinter stecken Menschen, keine Zahlen“, sagt er. „Diese haben dann das Gefühl, sie kommen in der Politik nicht mehr vor. Unter anderem dadurch gerät unsere Demokratie ins Wanken.“ Ein bedrückendes Gefühl für jemanden, der sich Zeit seines Lebens immer als Wächter dieses politischen Systems verstanden hat. „Es sieht in der Tat nicht sonderlich gut aus. Ich habe immer nur blendende Zeiten erlebt, nie Krieg oder Missstände wie die Generation meiner Eltern, und daher bin ich immer davon ausgegangen, dass unsere Demokratie Bestand hat. Doch momentan beteiligen sich, wie die Wahlbeteiligungen der vergangenen Jahre zeigen, immer weniger Menschen aktiv an entsprechenden Prozessen, während die Politiker sich vor allem um sich selbst drehen.“ Ein kollektives Versagen, dass bedenklich ist. Also macht Rogler das, was er am besten kann: Er empört sich. Und zwar in aller Deutlichkeit. Der Altmeister des politischen Kabaretts nimmt kein Blatt vor den Mund, scheut nicht die Dis­kussion und zieht nur da die Grenze, wo es persönlich würde. „Es gibt so viele, die sich über Äußerlichkeiten mokieren – das macht man einfach nicht“, sagt er. Ihm geht es um inhaltliche Kritik. Um des Pudels Kern, nicht um dessen Fell. „Ich kriege ja auch immer wieder böse Briefe voller Anfeindungen. Die beachte ich gar nicht, das sind doch alles nur Wutausbrüche.“ Was aber stimmt dann jemanden wie Richard Rogler milde? „Wenn ich auf der Straße einen 'ganz normalen' Menschen treffe, der nie sonderlich große Chancen im Leben hatte, immer fleißig gearbeitet hat und der mir gegenüber trotz aller Probleme freundlich auftritt, dann ist mein Tag gerettet. Das ist für mich wahre menschliche Größe.“

Donnerstag, 25.08.2016

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