Elisabeth Einecke-Klövekorn trifft Jochen Busse: Pantoffel-Panther, Präsident und Gentleman

Jochen Busse
Foto: Contra-Kreis-Theater
Jochen Busse
Foto: Contra-Kreis-Theater

kultur 125 - April 2016

Kurz nach seinem 75. Geburtstag hat er im Januar in der Berliner Komödie am Kurfürs­tendamm seine Autobiografie vorgestellt. Wo wir gerade von belegten Brötchen reden. Die Komödie meines Lebens heißt das gut 300 Seiten starke im Ullstein-Verlag erschienene Werk. „Ich habe keine schrecklichen Krankheiten gehabt, keine Pleite erfahren und musste in kein Dschungelcamp. Ich habe Helmut Kohl und vier Ehen überstanden. Wie kann man nur so verdammt viel Glück haben?“, fragt Jochen Busse sich immer noch. Auch an diesem Nachmittag im Contra-Kreis-Theater kurz vor der Premiere der Uraufführung von Der Pantoffel-Panther (s. Kritik auf S. 5). Ganz entspannt bei belegten Brötchen: „Zu Beginn meiner Laufbahn habe ich als armer Hund zumeist davon gelebt, und in Probenzeiten oder bei Tourneen bleibt ohnehin selten Gelegenheit für größere kulinarische Genüsse.“ Womit der amüsante Buchtitel leicht erklärt ist.
Leute zum Lachen zu bringen, ist bis heute die Antriebsfeder des vielseitigen Schauspielers, der 1941 in Iserlohn zur Welt kam. Sein Vater war Unternehmer und ging mit seinem metallverarbeitenden Betrieb angesichts der neuen Kunststoffe Pleite. Der Sohn kam mit 13 Jahren als Alumnist (bei einer Pflegefamilie lebender Schüler eines Privatgymnasiums) ins niedersächsische Melle, brach die Schulausbildung aber vor dem Abitur ab und zog völlig mittellos in seine „Sehnsuchtsstadt“ München, um Theater zu machen. „Die Bühne faszinierte mich, seitdem ich in einer Schulaufführung den Schreiber Licht in Kleists Zerbrochnem Krug gespielt hatte. Als Jugendlicher wirkte ich dann in mehreren semiprofessionellen Produktionen mit. Erstmals vor zahlendem und damit distanziertem Publikum.“ Mit Kleists „Krug“ gab Busse im Jahr 2000 sein Regiedebüt am mittlerweile geschlossenen Schillertheater Wuppertal.
Im üblichen Sinn gelernt hat der bekennende Autodidakt das Bühnenhandwerk nicht und auch nie eine staatliche Schauspielschule besucht. „Anbeobachtet“ nennt er das, was Anfang der 1960er Jahre in den Münchner Kammerspielen begann, wo er als fest angestellter Statist in Fritz Kortners Inszenierung von Shakespeares Timon von Athen mit Romuald Pekny in der Titelrolle anfing. Genau hinschauen und respektvoll mitdenken ist für ihn immer noch Voraussetzung gelungener Bühnenarbeit. Was eine leidenschaftliche Spottlust nicht ausschließt.
Die hat er ausprobiert beim Studentenkabarett „Die Knallfrösche“, wo ihn 1960 Friedrich Hollaender für eine Berliner Revue ent­deckte. Weitere Stationen waren das Frankfurter Kabarett „Die Schmiere“, das Münchner „Rationaltheater“ und das Düsseldorfer „Kom(m)ödchen“. Bis ihn der legendäre Sammy Drechsel 1976 ins Ensemble und Autorenteam der „Münchner Lach- und Schießgesellschaft“ holte, der Busse bis 1991 angehörte.
Für Kino und Fernsehen vor der Kamera stand er schon in den 1960er Jahren. Ein paar harmlose „Sexfilmchen“ wie Die Jungfrauen von Bumshausen oder diverse Hausfrauenreports würden heutzutage wohl nicht mehr als jugendgefährdend eingestuft. Sein komödiantisches Talent bewies Busse ab 1972 als schlauer Kriminal-Assistent Siebenlist in der ZDF-Serie Mordkommission an der Seite von Charles Regnier. 1978 folgte die WDR-Serie Medienklinik und später die eigene Sketch-Show Nur für Busse. Dass man ihn gern als „Kabarett-Urgestein“ bezeichnet, liegt jedoch an der von Rudi Carrell produzierten satirischen RTL-Talkshow 7 Tage, 7 Köpfe, die Busse von 1996 bis 2005 allwöchentlich moderierte und 1998 den „Goldenen Löwen“ und den Publikums-„Bambi“ als Auszeichnung für die beliebteste TV-Comedy-Show bekam. 2004 folgte der Deutsche Comedy-Preis für Ausdauer und Popularität. Da war Busse aber schon fast auf dem Absprung aus der Serie, weil ihm die zunehmend vorgefertigten Texte nicht mehr zusagten und er lieber spontan agiert. Unbedingt diszipliniert, denn der stets sorgfältig gekleidete und frisierte Herr hat längst auch einen Ruf als Gentleman der Comedy-Szene. „Ich bin kein Parodist, der sich über die Imitation von fremden Schwächen profiliert“, erklärt er. „Ich mache nur mit kleinen Übertreibungen hinter dem scheinbar Normalen das Verrück­te sichtbar und präsentiere die Lächerlichkeit von Verhaltensweisen, um ernsthafte Alternativen aufzuzeigen.“
Bevor wir jetzt auf die RTL-Serie Das Amt kommen, in der Busse als kriminell engstirniger Bauamtsleiter Krause brillierte, kommen wir kurz auf den Negativ-Preis „Saure Gurke“, den ihm das Deutsche Medienfrauentreffen 1987 zuerkannte. „Die fanden einfach niemanden sonst. Mittlerweile ist Ironie aber auch Feministinnen nicht mehr fremd. Geschadet hat mir die ‚Auszeichnung‘ schon.“ Busses Bissigkeit litt erfreulicherweise nicht. Bereits 2000 erhielt er den Deutschen Comedypreis für sein Lebenswerk, das freilich noch längst nicht abgeschlossen ist. Film und Fernsehen sind in den letzten Jahren jedoch in den Hintergrund gerückt zugunsten des Theaters.
Im Bonner Contra-Kreis-Theater ist er seit 1997 regelmäßig zu Gast. Es begann mit dem Lustspiel In anderen Umständen und setzte sich 2000 fort mit dem britischen Komödien-Klassiker Shakespeares sämtliche Werke (leicht gekürzt). 2003 folgte Einmal nicht aufgepasst des Autorenduos Dietmar Jacobs und Lars Albaum, mit denen der Schauspieler eine enge Freundschaft pflegt. Weshalb sie ihn stets erneut auf die Bühne zwingen. 2006 überlebte er im Contra-Kreis Das andalusische Mirakel und erscheint nun als Pantoffel-Panther. Wieder inszeniert von Horst Johanning, mit dem Busse besonders gern zusammenarbeitet. Obwohl er ab und zu auch selbst Regie führt. „Ich lese gern Stücke und bin dramaturgisch kein Analphabet“, erklärt er heiter. „Außerdem verstehe ich die Qualen und Ängste der Schauspieler nur allzu gut.“ 2013 brachte er im Contra-Kreis das hochaktuelle Multikulti-Stück Achtung Deutsch! auf die Bühne, das bei den Privattheatertagen 2014 in Hamburg prompt als beste Komödie prämiert wurde. In München hat er 2014 zudem Eine ganz heiße Nummer nach dem gleichnamigen Film für die Bühne bearbeitet und inszeniert. Großen Spaß machte ihm 2010 auch die Rolle des US-Präsidenten in der Politfarce November. „Zugegeben, es ist nicht David Mamets stärkstes Stück. Aber die unverschämte Angriffslust gefiel mir.“
Eingefleischter Kabarettist ist Busse schließlich immer noch. Zusammen mit seinem Freund Henning Venske erhielt er 2010 den Ehrenpreis des Deutschen Kleinkunstpreises und 2012 den Ehrenpreis des Bayerischen Kabarettpreises. „Solche späten Ehrungen tun gut, aber für einen ‚ehrwürdigen Alten‘ bin ich noch nicht reif.“ Mit seinem witzigen Oldie-Solo zwischen Prothesen und Prosecco Wie komm ich jetzt da drauf? begeis­terte Busse das Bonner Publikum 2013 und 2014. Vom Rentnerdasein ist er tatsächlich noch weit entfernt. 2015 stand er in verschiedenen Stücken über 300-mal auf der Bühne, bis Ende 2016 ist sein Terminkalender komplett voll. Als „Pantoffel-Panther“ wird er noch in Berlin (wo er mittlerweile mit seiner Frau und deren Kindern lebt), Düsseldorf und Essen auftreten. Im April beginnen zudem die Dreharbeiten für eine neue RTL-Serie mit dem schönen Titel Nicht tot zu kriegen. Denn langweilen mag Jochen Busse weder sich selbst noch sein Publikum. Dazu hat er noch so viele Ideen im Kopf, dass die legendären sieben kaum ausreichen.

Donnerstag, 18.08.2016

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