Dinner für Spinner - Contra-Kreis-Theater - kultur 124 - März 2016

Dinner für Spinner
Foto: Contra-Kreis-Theater
Dinner für Spinner
Foto: Contra-Kreis-Theater

Köstlicher Katastrophen-Abend



Der Volksmund weiß es längst: Wer anderen eine Grube gräbt… wird ggf. dem Gespött der TV-Nation preisgegeben. Denn Schadenfreude ist wissenschaftlich erwiesen ein soziales Regulativ. Wenn also Bestseller-Verleger Peter Küsenberg ankündigt: „Das wird total lustig, heute Abend“, ahnt man schon: Wird’s auch – allerdings nicht für ihn. Umso mehr fürs Publikum im Contra-Kreis-Theater, wo Mitte Januar die Komödie Dinner für Spinner in einer Inszenierung von René Heinersdorff ihre Bonner Premiere feierte.
Der französische Autor Francis Veber hat das Spiel erfunden bzw. gefunden in der arroganten Pariser Intelligenzia: Ein paar wohlsituierte Herren laden sich zu ihren feinen Diners regelmäßig einen nichtsahnenden Spinner ein, um sich heimlich über seine Blödheit zu amüsieren. Küsenbergs Gattin findet das ziemlich widerlich und kann auch kaum lachen, als er ihr den „Erlkönig“ eines lispelnden Schauspielers vorführt, der auf der vergeblichen Suche nach einem Engagement kürzlich im erlauchten Kreis vorsprach. Sie sucht also mitleidlos das Weite, während ihr Mann von einem Hexenschuss geplagt wird und deshalb das Treffen ohnehin absagen muss. Obwohl er einen absoluten Trumpf an der Angel hat, mit dem er zum König der Tafelrunde avancieren könnte.
Matthias Bommes, kleiner Beamter im Bonner Finanzamt (Heinersdorff hat das 1993 in Paris uraufgeführte und bereits zweimal prominent verfilmte Stück hübsch aufs Rheinland heruntergebrochen) und in der internationalen Streichholzbauer-Szene zu beträchtlichem Ansehen gelangt, ist sein Super-Freak und soll noch kurz in der Küsenbergschen Luxuswohnung für seinen großen Auftritt gebrieft werden. Und Herr Bommes kommt gnadenlos pünktlich, was zu ungeahnten Ka­tastrophen führt. Erzkomödiant Tom Gerhardt (u.a. bekannt als TV-Hausmeister Krause) spielt den vom Leben gebeutelten Underdog einfach hinreißend: Ein geistig recht robuster, herzensguter Tor, der mit echtem Bauchgefühl (inkl. grotesker Küchenschürze) und wahnsinnigem Mitgefühl (inkl. perfekt getimtem Telefon-Terror) geradezu tragisch in jedes Fettnäpfchen tappt. Ein sensibler Tollpatsch mit furchtlosem Hang zur Dichtung (nebst gruseligen Versen), der seinem nicht ganz so grundsoliden neuen Freund wirklich helfen will und deshalb immer voll daneben trifft. Vor diesem liebenswürdig schrägen Typen ist kein Anrufbeantworter sicher. Nicht mal die mit Streichhölzchen rekonstruierte Golden-Gate-Bridge oder ein aus ebensolchem Material maßstabgerecht errichteter Supermarkt in Tannenbusch.
Stephan Schleberger spielt tapfer den Literatur-Vermarkter Küsenberg, der mit Kreuzschmerzen zwischen Achenbach-Kunstkäufen, Schampuskisten und Flachlegung leidlich begabter Schriftstellerinnen erfolgreich der Steuerfahndung entging. Was den Ex-Lover seiner Gattin (Steffen Laube als smarter Schriftsteller Steffen Weisflog) nicht davon abhält, im Notfall hilfreich einzugreifen und den teuren Rotwein zu vernichten, bevor dieser (samt verstecktem Vermögen) Bommels verfressenem Sportsfreund und Kollegen Ludwig Busch ins Visier gerät. Stefan Preiss als fleißiger Finanzamts-Agent verrät unter Vertilgung eines Omeletts immerhin eine brisante Adresse an der Bornheimer Straße. Dass weder die coole Blondine Christine Küsenberg noch die hippe Nymphomanin Marlene (beide glänzend verkörpert von Tina Seydel) einem bumsfidelen Marketing-Experten in die Fänge gerieten, können wir jetzt nicht eidesstattlich versichern.
Aber wie Kleinbürger Bommes mit lautersten Absichten den großbürgerlichen Hausfrieden in die Lächerlichkeits-Zone feuert, ist echt lus­tig. Zumal das ganze Darstellerteam mit flottem Spieltempo und zündenden Pointen für großes Vergnügen und entsprechend munteren Beifall sorgt. Denn wir können über den sympathischen Trottel ebenso wie über seine scheinbar überlegenen Freunde lachen. Und wissen ganz sicher, dass Schadenfreude eins der ehrlichsten menschlichen Gefühle ist. E.E.-K

Spieldauer ca. 2 StD. inkl. einer Pause
die Nächsten Termine :
täglich ausser montags bis 6. März

Donnerstag, 07.07.2016

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