La Belle et la Bête - Tanzgastspiel Compagnie Thierry Malandain - Oper Bonn - kultur 124 - März 2016

Fantastische Spiegelungen

Mit seiner Interpretation des Märchens Cendrillon bezauberte der französische Choreograf Thierry Malandain das Bonner Publikum bereits 2014. Nun war er mit seiner hervorragenden Compagnie erneut hier zu Gast in der beliebten Reihe „Highlights des Internationalen Tanzes“. Wieder mit einem bekannten Märchenstoff: La Belle et la Bête. Malandains neues Werk wurde im Dezember 2015 in Biarritz uraufgeführt und feierte in Bonn seine Deutschland-Premiere. Die Schöne und das Biest, längst auch ein Musical-Klassiker, erscheint hier als Reflexion über Körper und Seele, Wirklichkeit und Kunst. Keine romantische Liebesgeschichte also, sondern eher inspiriert von Jean Cocteaus Film aus dem Jahr 1946, der eine poetische Fabel von äußerer Erscheinung und innerem Wesen erzählte.
Allegorische Gestalten bevölkern die Bühne, auf der die vom Künstler (die Figur des L’Artiste ist kreativer Kopf und listiger Spielmacher des Geschehens) bewegten Vorhänge ständig neue Bilder frei geben: Belles bürgerliche Familie, die goldglänzende Schlossgesellschaft, die animalische Welt des Biests – hinter jeder Illusion taucht eine gespenstisch verzerrte Vision auf. Als lebendige Wesen erscheinen der Spiegel, der hinter der glatten Oberfläche die raue Innenwelt aufzeigt, der Zauberhandschuh, mit dem die Schöne opferbereit ins Reich der leidenden Bestie zurück­kehrt, und der geheimnisvolle Schlüssel zu den Schätzen in sich selbst verfangener Seelen. Auch die Rose taucht auf, die der Vater seiner Tochter versprach und damit in den Bannkreis des Biests geriet. Durch eine Maske kenntlich gemacht ist das Pferd als fliegendes Reittier zwischen den Sphären der hellen Unschuld und den düsteren Angstträumen.
Als ob der Künstler, begleitet von seinem Körper und seiner Seele (beide sind ebenfalls personifiziert) die Seiten eines alten Buches umblätterte auf der Suche nach seiner schöpferischen Inspiration. Ähnlich wie der in eine zugleich schöne und hässliche Schimäre verwandelte Prinz auf der Suche nach seiner condition humaine.
Getanzt wird zumeist auf halber Spitze zu einer raffinierten Collage aus Tschaikowskis Sinfonien und Opern. Brillante klassische Ballett-Kunststücke stehen jedoch nicht im Vordergrund. Es ist eine philosophische Erzählung über Ausgrenzung und Selbstverlust – allerdings von atemberaubender Sinnlichkeit. Ungemein kraftvoll getanzt sind die großen Ensembles in den Biest-Szenen. Die Unterleib und Beine betonenden Kostüme signalisieren naturhaft aggressive Sexualität. Seltsam künstlich und fragil wirkt dagegen trotz aller barocken Kostümpracht die schillernde Geselligkeit zum festlichen Walzer aus Tschaikowskis Eugen Onegin. La Belle – emotional hin- und hergerissen zwischen Liebe und Widerwillen getanzt von der großartigen Claire Lonchampt – entscheidet sich für das leidende Ungeheuer (hinreißend: Mickaël Conte). Der abschließende, wundervoll zärtliche Pas de deux ist indes eher eine intime Begegnung verstörter Seelen als eine erotische Vereinigung. Das Biest nimmt seine schwarze Gesichtsmaske ab, der Künstler schließt den Vorhang und überlässt seine Geschöpfe melancholisch ihrem Schick­sal.
Nach pausenlosen 80 Minuten auf tänzerischer Hochspannung mischte sich Malandain selbst unter seine fabelhafte Truppe und genoss den begeisterten Beifall aus dem ausverkauften Opernhaus für sein neues Ballett-Meisterwerk zwischen Neoklassik und Moderne. E.E.-K.

Donnerstag, 07.07.2016

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