Ekel Alfred - Kleines Theater Bad Godesberg - kultur 123 - Februar 2016

Ekel Alfred
Foto: Kleines Theater Bonn
Ekel Alfred
Foto: Kleines Theater Bonn

Schrecklich nette Familie



Wenn es brenzlig wird, halten sie zusammen wie Pech und Schwefel. Auch wenn der Familienfrieden bei den Tetzlaffs nicht immer sicher ist. Der brave Michael lässt seinen Schwiegervater Alfred jedenfalls nicht herzlos als „Sittenstrolch“ im Regen stehen. Schließlich hatte der alte Saubermann trotz aller Sorgen um deutsche Zucht und Ordnung ein dringendes Bedürfnis, und das stille Örtchen im Park war wegen Renovierung geschlossen. „Wildpinkeln“ (das Wort haben wir einer städtischen Bonner Presse-Mitteilung entnommen, sind also insofern salviert) ist schließlich kein Verbrechen. Moralisch ist also zur Pause trotz kleiner Ordnungswidrigkeiten alles brav geregelt.
Denn er ist im Kleinen Theater Bad Godesberg wieder da, der unverwüstliche Kleinbürger, der mit solidem Bild-Zeitungs-Wissen die Welt erklärt, Sozialdemokraten für Republikfeinde hält und mit der ihm eigenen Logik Walter Ulbricht als westlichen Spion enttarnt. Jener lebte noch, als Wolfgang Menges TV-Serie Ein Herz und eine Seele 1973 die Schwarz-Weiß-Fernseher eroberte. Es ist also über 40 Jahre her, dass die schrecklich nette Familie Tetzlaff Bildschirm-Kult wurde. Ekel Alfred, Nörgler der Nation und ewiger Spießer, lebt weiter am sich zusehends verbreiternden rechten Rand unserer liberalen Zivilisation. Obwohl der komische alte Giftzwerg aus Bochum-Wattenscheid eigentlich längst gestorben sein müsste angesichts aller Aufregungen, die sein Kleinbürgerherz bis zur Infarktschwelle treiben.
Im Bühnenbild von Mario Clos wird die in jeder Hinsicht bescheidene Tetzlaff-Welt mit Küche und Wohnzimmer hübsch wiederbelebt. Regisseur Peter Nüesch hat die Episoden Der Sittenstrolch und Frühjahrsputz (beide liefen 1974 erstmals in Farbe) nicht renoviert, sondern schlicht als Relikte einer Zeit inszeniert, als politisch korrekte Sprache noch nicht erfunden und Deutschland zuverlässig zweigeteilt war. Wie bei den anderen Teilen, die 2012 bereits erfolgreich im Kleinen Theater auf die Bühne kamen, verkörpert Josef Hofmann den Mini-Patriarchen Alfred, dessen Gesicht schon knallrot anläuft, wenn SPD-Anhänger in der Nachbarschaft hausen. Hofmann spielt das herrlich bös zwischen verklemmtem Selbstmitleid und dreis­ter Überheblichkeit.
Neben dieser schwarzbraunen Sumpfblüte glänzt Ursula Michelis erneut als goldig treudoofe Gattin Else, die alle Fremdwörter so gründlich missversteht, dass sie Exhibitionis­ten für arme Künstler auf der Suche nach Ausstellungen hält. Als beseeltes Herdheimchen mit Putzfimmel ist sie ein echter Schatz und holt mit köstlich gespielter Naivität aus der blödesten Pointe noch einen überraschenden Witz. Dass sie „Hertha BSC“ für eine Damen-Mannschaft hält, ist zwar begreiflich, aber für Fußball-Fans ein Sakrileg. Gelassen ironisch behauptet sich Nikolas Knauf als politisch nur sanft rot angehauchter Schwiegersohn. Seine reizende Gattin Rita (Julia Kiefer) hätte intelligenzmäßig noch so viel Luft nach oben wie ihre Mama. Bei ihren Miniröckchen (Kos­tüme: Sylvia Rüger) mehr nach unten, was ihrem Papa jedoch das Bücken erspart.
Dumpfbacke Alfred hängt nach dem Shopping-Ausflug seiner Liebsten (Chappi bis 2020 ohne Hund) sowieso am ansehnlichen Bluseninhalt von Ruth Suhrbier (Regina Tempel), Nichte der innig gehassten Nachbarin. Gern noch häufiger gesehen hätten wir den tapferen Polizisten (Hanno Dinger), dessen Spürnase leider schnell vor dem kriminell komischen Familien-Clan kapituliert. Zwecks Sportschau muss Alfred nach der absurden Frühjahrs-Putzorgie noch den TV-Apparat reparieren. Mit absehbaren Folgen für den Haussegen. Trotz aller Plattitüden ein kurzweiliger Rückblick in den chauvinistischen Schoß, der immer noch Ungeheuer gebiert.
E.E.-K.

Spieldauer ca. 2 Std., inkl. Pause
die Nächsten Termine :
Bis 31.01.16 täglich

Dienstag, 16.02.2016

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