Der kleine Horrorladen - Oper Bonn - kultur 119 - Oktober 2015

Der kleine Horrorladen
Foto: Thilo Beu
Der kleine Horrorladen
Foto: Thilo Beu

Musical-Leckerbissen


Mit vegetarischer Kost ist das grüne Gewächs schon bald nicht mehr zufrieden. Die berühmteste fleischfressende und mit zunehmender Größe auch sprachbegabte Pflanze der Theaterwelt besteht auf frischem Blut. Erfunden hat das Biest 1960 der Horrorspezialist Roger Corman, damals noch am Anfang seiner Kinokarriere. Aus seinem schnell und billig produzierten Film Little Shop of Horrors wurde 1982 der Musical-Hit von Alan Menken (Komposition) und Howard Ashman (Libretto) und eroberte nach seinem überraschenden Broadway-Erfolg die ganze Welt.
Um es gleich vorweg zu sagen: Der kleine Horrorladen in der Bonner Oper könnte sich auch in New York oder im Londoner West-End sehen und hören lassen. Zugegeben nicht ganz, denn gespielt und gesungen wird in der witzigen deutschen Übersetzung von Michael Kunze. Die ständig in Bewegung gehaltene Drehbühne und die Kostüme von Dirk Hofacker (Kompliment an das Ausstattungs- und Bühnen-Team!) sind jedoch ein echter Hingucker, und ein solch perfektes Darsteller/Sänger-Ensemble findet man selten. Der versierte musikalische Leiter Jürgen Grimm und seine exzellente Band heizen die Stimmung zudem noch kräftig auf.
Der junge Regisseur Erik Petersen lässt die skurrile Geschichte mit ihrem tiefschwarzen Humor zwischen Blumenladen, Hinterhof, Zahnarzt-Praxis und Radiostudio so flott Revue passieren, dass man bei den rasanten Szenenwechseln das emotionale Schleudertrauma des braven Seymour gut nachvollziehen kann. Der nette Underdog (hinreißend gespielt und gesungen von Matthias Schlung) ist ein naiver Pflanzenfreak und seinem Chef treu ergeben. Außerdem heimlich verknallt in seine hübsche Kollegin Audrey. Das langbeinige Mädel (umwerfend gut: Bettina Mönch) überragt ihn zwar schon ohne Stö­ckelschuhe um gefühlt 50 cm, hat eine bewegte Vergangenheit und den Sado-Doktor Orin an der Backe, der allen Zahnärzten kriminell das Geschäft verderben könnte. Comedy-Star Hans Werner Olm gibt den ergrauten Rocker-Playboy mit robuster Energie. Dass der Heavy-Metall-Dentist sich wegen einer Überdosis Lachgas im gierigen Maul von Audrey II verkrümelt, ist ein dramatischer Zufall. Aber kein echter Trauerfall für Audrey, die nun von einem Häuschen im Grünen mit dem liebenswürdigen Gärtner Seymour träumt.
Der hat leider ein Problem mit der nach seinem Sehnsuchtsobjekt benannten Pflanze, die unter seiner Pflege rasant wächst, was ihn unversehens zum Subjekt eines florierenden Marktes und zum Medienstar macht. Dabei wollte er doch nur den Laden seines Arbeitgebers Mr. Mushnik vor der Pleite bewahren. Der inzwischen ziemlich vollschlanke Flitterabend-Showmaster und Sänger Michael Schanze überzeugt in der Rolle des jüdischen Blumenhändlers Mushnik, der seinen tüchtigen Kapitalschöpfer Seymour sogar adoptiert. Auch wenn ihm die Sache langsam unheimlich wird. Leider treibt seine Geldgier ihn irgendwann samt Hut und Mantel in den Rachen der Pflanze, deren Hunger mittlerweile kaum noch zu stillen ist.
Absolut sehens- und hörenswert sind die drei drallen stimmgewaltigen Soulgirls (Beatrice Reece, Amanda Whitford und Sampaguita Ingeborg Mönck). Whitford war übrigens schon 1991 dabei, als Der kleine Horrorladen im Bad Godesberger Kleinen Theater seine Bonner Erstaufführung erlebte. Auf insgesamt zehn kleinere Rollen bringt es der ungemein wandlungsfähige Jeremias Koschorz, immerhin sieben spielt Yoko El Edrisi. Das Ensemble wird glänzend verstärkt durch vier Mitglieder des Jugendchores der Oper.
Dass das wuchernde grüne Wesen mit dem blutroten Maul nur die Vorhut einer außerirdischen Invasion ist, wird erahnbar bei der Erscheinung seiner Stimme, im galaktisch schillernden Weltraumanzug verkörpert von dem grandiosen Sänger Dennis LeGree. Bevor die Ableger von Audrey II massenhaft ihr karnivorisches Werk beginnen, muss auch noch Audrey dran glauben. Ihr Abschied von Seymour ist rührend, aber „Mean Green Mother from Outer Space“ (der Song erhielt bei der Verfilmung des Musicals 1986 durch Frank Oz eine Oscar-Nominierung) hat gesiegt. „Don‘t Feed the Plants“ lautet das Resümee des äußerst vergnüglichen und bei der Premiere mit großem Jubel gefeierten Abends.
Die Oper ist mit diesem herrlich schrägen Flower-Power-Popmusical fantastisch in die Saison gestartet. Könnte auch beim jüngeren Publikum Kult werden wie die unverwüstliche „Rocky Horror Show“.
E.E.-K.

Spieldauer ca. 3 Stunden, eine Pause
die Nächsten Termine :
16.10. // 31.10. // 14.11. // 16.12. // 31.12.15 (15:00 + 19:30 Uhr)

Donnerstag, 08.10.2015

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