Karlowicz, Mieczyslaw (1876 - 1909)

Mieczyslaw Karlowicz
Foto: Philipp Hennecke
Mieczyslaw Karlowicz
Foto: Philipp Hennecke

kultur 117 - Juni 2015

Der polnische Komponist war der Sohn des Philologen und Ethnographen Jan Karlowicz, der sich auch für Musik interessierte: Er veröffentlichte Artikel über polnische Volksmusik und komponierte selbst einige Lieder, Klaviermusik und Cellowerke. Bedingt durch das in verschiedenen Städten betriebene Studium seines Vaters wuchs Mieczyslaw u.a. in Heidelberg, Prag und Dresden auf, bevor sich die Familie 1887 in Warschau niederließ. Dort erhielt er Unterricht in Violine und Komposition. 1895/96 besuchte er auch die naturwissenschaftliche Fakultät der Universität Warschau. Von 1895 bis 1901 studierte Karlowicz Komposition in Berlin bei Heinrich Urban. In dieser Zeit entstanden etwa 25 Lieder und größere Instrumentalwerke. Bereits 1900 kehrte Karlowicz nach Warschau zurück und wurde Mitglied der Musikgesellschaft. Er organisierte Konzerte und leitete ein Laien-Streichorchester. Von 1904 bis 1906 war er der Direktor der Musikgesellschaft.
Im Jahre 1906 trat Karlowicz in die Komponisten-Gruppe Mloda Polska w muzyce (Junges Polen in der Musik) ein. Sie wurde im Jahr zuvor gegründet; ihr namhaftester Vertreter war Karol Szymanowski. Diese Gruppe wollte die polnische Musik vom Einfluss der Moniuszko-Epigonen befreien. Stanislaw Moniuszko (1819 - 1872) war ein polnischer Komponist, der eine herausragende Stellung als Schöpfer der „Nationaloper“ Halka hatte. Viele Komponisten ahmten seine Musiksprache nach. Die Gruppe Mloda Polska w muzyce war dagegen vor allem an den neuesten Errungenschaften der deutschen Spätromantiker interessiert; Richard Strauss war ihr Vorbild. 1907 fand in Berlin unter der Leitung G. Fitelbergs, einem Gründungsmitglied der Gruppe, ein Konzert der Mloda Polska-Komponisten statt.
1906 hatte Karlowicz ein Jahr mit Dirigierstudien bei A. Nikisch in Leipzig verbracht. 1908 nahm der wohlhabende und finanziell unabhängige Komponist seinen ständigen Wohnsitz in Zakopane. Dort konnte er seiner zweiten Leidenschaft neben der Musik nachkommen, dem Bergsteigen und Skifahren. Karlowicz trat der Hohen-Tatra-Gesellschaft bei und veröffentlichte Berichte von seinen Bergtouren in Zeitschriften. Im Februar 1909 trat Karlowicz eine einsame Skifahrt in Richtung des Czarny Staw (Schwarzer Teich) in der Tatra an und wurde in der Nähe des Maly Koscielec mit nur 32 Jahren von einer Lawine verschüttet.
Karlowicz’ musikalisches Interesse richtete sich vor allem auf die symphonische Dichtung. Stanislaw i Anna Oswiecimowie op. 12 (Stanislaus und Anna von Oswiecim) ist das bekannteste Werk dieser Gattung und gehört in Polen zum festen Orchesterrepertoire. Nach einem Gemälde von Stanislaw Bergmann wird in diesem Werk die tragisch endende Liebe zwischen zwei Geschwistern geschildert. Von den insgesamt sechs symphonischen Dichtungen blieb die letzte Komposition, Epizod na maskaradzie op. 14 (Episode auf einem Mas­kenball), Fragment. G. Fitelberg vollendete und instrumentierte dieses Werk.
An zweiter Stelle steht Karlowicz‘ wertvolles Liedschaffen für eine Stimme und Klavier. Darüber hinaus schuf der Komponist Werke aus dem Bereich Kammer- und Klaviermusik sowie drei weitere Orches­terwerke: Eine Streicherserenade op. 2, eine Symphonie op. 7, welche die Wiedergeburt eines Künstlers nach dessen körperlicher und künstlerischer Vernichtung schildert, und ein ausdrucksstarkes Violinkonzert op. 8.
Karlowicz‘ Verdienst ist es, den spätromantischen Stil in die polnische Musik übertragen zu haben. Seine Harmonik orientiert sich an ­
R. Wagners Werken, die Konzeption der programmatischen Orches­termusik an R. Strauss, z.T. auch an Tschaikowsky. Karlowicz arbeitete gern mit einer massiven, aber ausdruckvoll differenzierten Orches­terbesetzung. Seine musikalische Sprache ist überwiegend lyrisch und melancholisch, teilweise mit tragischen und düsteren Akzenten. Im Kampf mit dem konservativen Warschauer Musikleben stand Karlowicz entschieden auf der Seite der zeitgenössischen Musik. E.H.

Dienstag, 22.09.2015

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