Borodin, Alexander Porfirjewic (1833 - 1887)

kultur 113 - Februar 2015

Der Chemiker und Komponist wurde in Petersburg als unehelicher Sohn des Fürsten Luka Stepanovic Gedianov geboren. Da dieser ihn nicht anerkannte, wird er im Geburtsschein als Kind des leibeigenen Kammerdieners Potfitij Borodin verzeichnet. Seine Mutter ließ Borodin 1849 gegen viel Geld in den Kaufmannsstand erheben, um ihm den Zugang zur Universität zu ermöglichen. Auf dem Gut seines leiblichen Vaters erhielt Alexander eine vorzügliche Ausbildung. Er erlernte Fremdsprachen, spielte Cello, Flöte und Klavier, komponierte erste Stücke und wurde in seiner naturwissenschaftlichen Begabung gefördert.
1850 trat Borodin in die Petersburger medizinisch-chirurgische Akademie ein und arbeitete nach seinem Examen sechs Jahre später als Arzt im Heereslazarett. Gleichzeitig begann er ein Chemiestudium, das er 1858 mit der Promotion abschloss. Die darauffolgenden zwei Jahre verbrachte er zusammen mit dem Chemiker D. Mendeleev auf Forschungsreisen in Deutschland, Italien und Frankreich. Bei dieser Gelegenheit traf er Robert Wilhelm Bunsen und Louis Pasteur und er lernte seine spätere Frau, die Pianistin E.S. Protopopova kennen.
Zurück in Petersburg wurde Borodin 1862 zum Adjunktprofessor, zwei Jahre später zum ordentlichen Professor für Chemie an der medizinisch-chirurgischen Akademie ernannt. Seit 1874 war er auch der Leiter der chemischen Fakultät. Zwei Jahre zuvor gründete er eine dem Kriegsministerium angegliederte medizinische Hochschulklasse für Frauen, die er selbst unterrichtete. Borodin unterstützte bedürftige Studentinnen durch die Konzerteinnahmen eines von ihm organisierten Singkreises und ließ die an Chemie interessierten Damen gegebenenfalls bei sich und seiner Frau wohnen. Während der polizeistaatlichen Verhältnisse nach der Ermordung Alexander II. schützte Borodin seine Studenten vor politischer Verfolgung. Aufgrund der staatlichen Repressionen war er 1885 jedoch gezwungen, die Laboratorien aufzulösen. Aus seiner Institution gingen 150 Ärztinnen hervor. Borodin war ein überaus erfolgreicher und beliebter Universitätslehrer. Er war ein bedeutender Chemiker und veröffentlichte mehr als 40 wissenschaftliche Arbeiten.
Als Komponist betätigte sich Borodin lediglich in seiner Freizeit und während der universitären Sommerpausen. Während seines Studiums hatte er sich autodidaktisch mit Musiktheorie beschäftigt und überwiegend Kammer- und Vokalmusik komponiert. 1862 schloss er sich M. Balakirev und seinem Kreis, dem sogenannten „Mächtigen Häuflein“, an. Bei dem drei Jahre jüngeren Komponisten suchte Borodin vor allem handwerkliche Beratung. Balakirev äußerte: „Ich glaube, daß ich höchstwahrscheinlich der erste war, der ihm sagte, daß seine Hauptaufgabe das Komponieren sei.“ Borodins Erste Symphonie wurde unter Balakirevs Leitung 1869 mit großem Erfolg uraufgeführt. Im selben Jahr begann er mit der Komposition der Oper Fürst Igor, mit der er sich bis zu seinem Lebensende beschäftigen sollte. Die Zweite Symphonie entstand während einer Schaffenspause an Fürst Igor, wurde aber nicht erfolgreich aufgenommen, woraufhin Borodin den Part der Blechbläser erheblich reduzierte.
Aus einer beruflichen Reise nach Deutschland im Jahre 1877 entstand eine herzliche Freundschaft mit Franz Liszt. Auf dessen Anregung wurde Borodins erste Symphonie 1880 in Baden Baden aufgeführt; damit begann die Rezeption seiner Werke im Ausland. Auf Initiative der Gräfin de Mercy-Argenteau wurden seit 1884 Kompositionen von Borodin auch regelmäßig in Belgien gespielt. Die Fragment gebliebene Dritte Symphonie sollte der Gräfin gewidmet werden.
In den 1870er Jahren, als das „Mächtige Häuflein“ nicht mehr als geschlossene Gruppe existierte, begann Borodin mit der Komposition seines ersten von zwei Streichquartetten. Er löste sich damit von der Forderung des „Mächtigen Häufleins“ nach großen Werken mit nationalen Themen.
1882 hatte sich Borodin dem Komponistenkreis um den Mäzen und Verleger M. Beljaev angeschlossen. Zwei Jahre später erhielt er den Glinka-Preis für seine erste Symphonie. Während eines Kostümfests der medizinisch-chirurgischen Akademie starb Borodin an einem Herzschlag. Die Vollendung der Oper Fürst Igor übernahmen die Komponis­ten N. Rimskij-Korsakov und A. Glazunov. Letzterer komponierte die fehlenden Teile des dritten Aktes und die Ouvertüre, ersterer ergänzte die Passagen, die im Entwurf fertig waren und instrumentierte das Werk. Bei der Rekonstruktion des Urtextes der Oper im Jahre 1947 durch Pavel Lamm stellte sich heraus, dass die beiden Komponisten lediglich einen Bruchteil von Borodins Material verarbeitet haben und auch die endgültige szenische Konzeption nicht beachtet hatten.
Zu Borodins Lebzeiten nahm Rimskij-Korsakov regelmäßig Fragmente aus Fürst Igor in Konzertprogramme auf, um den Komponisten zur Vollendung der Oper zu drängen. In Borodins Freundeskreis stieß das Werk auf einhellige Zustimmung. Die Polowetzer Tänze (s.u.) aus dieser Oper sind wohl das berühmteste Werk des Komponisten. E.H.


Hörtipps:
- Symphonies 1-3, Polovtsian Dances, String Quartet No. 2, Prince Igor - Ouverture, In the Steppes of Central Asia; Borodin Quartet, London Symphony Orchestra, Royal Philharmonic Orchestra, Vladimir Ashkenazy, Ernest Ansermet, Edward Downes, Jean Martinon, Georg Solti; Decca.
- Complete Piano Music, Marco Rapetti, Brilliant.

Donnerstag, 13.08.2015

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