Mondscheintarif - Kleines Theater Bad Godesberg - kultur 113 - Februar 2015

Mondscheintarif
Foto: Friedhelm Schulz
Mondscheintarif
Foto: Friedhelm Schulz

Telefonieren bis der Arzt kommt



Wenn der Liebeskummerhimmel voller Arschgeigen hängt, braucht frau dringend eine gute Freundin. Eine bessere als ­Anouschka Renzi in der Rolle der erfolgreichen Marketing-Spezialistin Johanna Dagelski (kurz „Jo“) wird sie kaum finden. „Verliebtsein ist Marketing“, weiß die erfahrene Dame mit dem kessen dunklen Bubikopf zum eleganten Business-Anzug und hat als Grundnahrungsmittel immer eine Flasche Champagner parat. Der fließt gelegentlich ohne Umwege direkt in die geläufigen Gurgeln. Jos herzhaft coole Intelligenz steht zwar in einem Feindverhältnis zu ihrer Küche, aber ihr Tanz mit Coras Gefühlsverwirrungen hat höchste Brandklasse.
Renzi (auch als arrogante italienische Restaurantchefin Marcella und als osteuropäisches Soap-Sternchen Carmen glänzend) ist stets präsent in Coras Erzählung von ihrem Sommernachtstraum: das große Drama von Leidenschaft, Einsamkeit, Trennungsschmerz, stiller Größe und peinlichen Ausrutschern. Mit einem solchen begann das Ganze. Der Hummer vom Büffet bei der Filmpreisverleihung, den Cora in einem Anfall von Altruismus der Klofrau zukommen lassen wollte, landete an der empfindlichsten Stelle des Dr. med. Daniel Hofmann. Auf der Bühne in einer filmreifen Slow-Motion-Szene, die nicht mit dem langen Blick in die unüberwindlich blauen Augen des Opfers endet, sondern mit einem temperamentvollen Auftritt von dessen Begleiterin. Das bewegt sich in der Inszenierung von Constanze Junghänel flott zwischen Slapstick, klassischem Boulevard, Klischees, augenzwinkernder Selbstironie und Berichten aus weiblichen Problemzonen. Deren größte heißt natürlich „Mann“ und wird für geschlechtsüberreife Single-Stadtbewohnerinnen zur täglichen Herausforderung.
Heike Kloss spielt köstlich überdreht die reizende Cora Hübsch mit einem freudlosen Verhältnis zu ihren Füßen und den schwer zu zähmenden blonden Locken. Der Rest ist aber so ansehnlich, dass ihre sorgfältigen Strategien (inkl. Karteikarten für den Rendezvous-Smalltalk) getrost aus dem Ruder laufen dürfen. Aber die Fahrt mit Daniels schickem Auto ist ein echtes Theater-Bravourstückchen.
Danach war’s endlich soweit: Cora im Bett mit Mr. Right. Drei Tage ist das nun her, und der Typ hat einfach nicht mehr angerufen. Dabei kann sich niemand entzückender am Telefon melden: „Hüüübsch“. Den Mondscheintarif gibt’s zwar schon längst nicht mehr angesichts von Flatrates, Facebook und Twitter. Cora ist auch nicht mehr die Mittdreißigerin wie in dem 1994 erschienenen gleichnamigen Roman der Bestseller-Autorin Ildikó von Kürthy.
Marko Pustisek gibt überzeugend den charmanten Herrn mit grauen Schläfen und Coras mit alpinem Akzent und mäßiger Intelligenz gesegneten Ex-Lover Sascha, mit dem sie immerhin die Abneigung gegen Zitroneneis teilte, was zu einer Schokoriegelsucht führte. Einen hohen Amüsierfaktor haben zudem die von Thomas Fritsch per Band zugesprochenen Werbespots für Epiliergeräte und absurden Ratschläge für erotische Notfälle. Amors Pfeile treffen dennoch zielgenau. Heiter entspannt wie die hübsche Aufführung, die über alle Untiefen hinweg bis zum überraschenden Finale ihren Schwung behält. E.E.-K.

Spieldauer ca. 2 Stunden,
inkl. einer Pause
die Letzten Termine:
25.01. - 28.01.15

Dienstag, 10.02.2015

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