Giselle und Don Quixote - Gastspiele des Moldawischen Nationalballetts in der Oper Bonn - kultur 113 - Februar 2015

Ballett wie aus dem Bilderbuch

Der zweite Aufzug von Giselle mit den im fahlen Mondlicht tanzenden Geisterbräuten ist einer der schönsten weißen Akte der Ballettgeschichte. Auch 175 Jahre nach der Uraufführung in Paris kann man sich seiner Poesie kaum entziehen. Wunderbar leichtfüßig präsentierte das Moldawische Nationalballett kurz vor Weihnachten dieses überirdisch zarte Schweben, die aller Bodenhaftung enthobenen Arabesken und den romantischen Traum von der alles verzeihenden Liebe.
Rustikaler ging es zu im ersten Akt, in dem das hübsche Bauernmädchen Giselle sich unsterblich in den Herzog Albrecht verliebt, der sich bei einem Ausflug aufs Land nur einen Spaß gönnen wollte.
Die Gäste aus Moldawien zeigten den beliebten Ballettklassiker in der von Marius Petipa für Petersburg leicht überarbeiteten Originalchoreographie von Jean Coralli und Jules Perrot: technisch perfekt ohne Scheu vor großen Gesten und emotionalem Pathos. Exzellent beherrschten die Solisten des großen Ensembles all die auf der Spitze getanzten kunstvollen Nummern, die luftigen Sprünge, die wirbelnden Pirouetten und die hinreißenden Pas-de-deux. Liebevoll gemalte Kulissen, prächtige Kostüme und pantomimische Elemente machten die Geschichte zu einem kostbar märchenhaften Erlebnis.
Svetlana Popov am Pult des Orchesters der Moldawischen Nationaloper ließ die schwärmerische Musik von Adolphe Adam ebenso leuchten wie die vielfarbige von Ludwig Minkus zu Don Quixote, mit dem sich die Moldawier nach drei ausverkauften Giselle-Vorstellungen vom Bonner Publikum verabschiedeten. Mit spanischem Temperament ließen sie den romantischen Traum des romanvernarrten Ritters heiter lebendig werden. Verfolgt von einem Sensenmann und begleitet von dem ebenso treuen wie rundlichen Knappen Sancho Pansa, begibt sich Cervantes‘ Held auf die Reise nach Barcelona. Eine irrwitzige Stierkampf-Parodie bringt die ganze Gesellschaft zum Tanzen. Der verblendete Don Quixote glaubt in der reizenden Wirts­tochter Kitri seine angebetete Dulcinea zu erkennen. Das kokette Mädchen ist freilich verknallt in den hübschen jungen Barbier Basilio. Was zu rasanten Eifersuchtsszenen mit dem reichen Bewerber Gamacho führt. Zumal sich nach der Flucht des Liebespaares in ein Nachbardorf auch noch der eitle Torero Espada einmischt.
Don Quixote, choreographiert von Alexandr Gorski nach der vor fast genau 145 Jahren in Moskau uraufgeführten Originalversion von Marius Petipa, brachte die Herzen der Fans des klassischen Balletts auf Hochtouren. Auch hier gab es wieder üppige Dekorationen und Spitzentanz vom Feinsten. Die charmant erzählte Geschichte mit ihren solide gezeichneten Charakteren ist ohnehin eher ein Vorwand für tänzerische Kunststücke mit Flamenco-Reminiszenzen, einem atemberaubenden Bolero und dem virtuosen Hochzeits-Pas-de-deux. Szenen wie aus einem alten Ballett-Bilderbuch, auf dessen fantastischen Spuren der Ritter von der traurigen Gestalt selbst dem Sensenmann locker von der Klinge springt. Liebenswürdig museal, aber so unverschämt lebendig und elegant, dass diese traditionelle Tanzkunst auch im 21. Jahrhundert noch berührt und gefällt. E.E.-K.

Dienstag, 10.02.2015

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