Gefährliche Liebschaften - kultur 112 - Januar 2015

Gefährliche Liebschaften
Foto: Theater Bonn
Gefährliche Liebschaften
Foto: Theater Bonn

Beziehungs-Schlachtfeld



Glamouröse Spieler sind die Marquise de Merteuil und der Vicomte de Valmont. Ein eiskaltes Nicht-Liebes­paar der gehobenen Gesellschaft, ebenso rhetorisch brillant wie morallos. Kühl ist auch das Bühnenbild der Regisseurin Mirja Biel: Drei übereinander gestapelte riesige weiße Kommoden, die wie Heizungsverkleidungen aussehen und raffiniert die horizontalen und vertikalen Dialogdimensionen illustrieren. Verschriftlicht hat diese der französische Autor Choderlos de Laclos in seinem 1782 erschienenen Brief­roman Les liaisons dangereuses, das vom zeitgenössischen Skandalerfolg längst zum Klassiker der Weltliteratur avancierte. Zusammen mit der Dramaturgin Nina Steinhilber hat Biel gedankliche Spiegelungen von Heiner Müllers Quartett bis Michel Foucault in Laclos‘ prärevolutionäres Gesellschaftsbild montiert, was bruchlos funktioniert im postmodernen Selbstinszenierungsdrama der einsamen Spaßerotiker auf Liebeslustentzug.
Amüsant führen alle ihre sprachlichen und körperlichen Luftnummern vor, sogar eine große Schneekugel mit Lotterkissen schwebt ins Universum der Crime Connection von Merteuil und Valmont. Perfekt zelebriert Ursula Grossenbacher die alternde Domina, die genießerisch jedem Satz einen funkelnden Diamantschliff verleiht und bei aller Härte plötzlich doch fast gläsern zerbrechlich wirkt. Per Video sieht man anfangs ihr strahlend schönes, blumenbekränztes Gesicht, das sich schnell in eine Totenmaske verwandelt. Ihr ganzes Leben ist eine Maskerade der Vergänglichkeit, die sie längst begriffen hat und deshalb mit einem virtuosen Zynismus auf Trab hält. Noch ist sie frei, sich zu nehmen, was sie haben will. Der einst begehrte Valmont gehört nicht mehr in ihr Beuteschema. Nur sein Gehorsam und der Beweis seiner Verführungskunst an anderen Objekten macht ihn für sie noch attraktiv.
Andrej Kaminsky als Valmont im silbern glänzenden Anzug (Kostüme: Petra Winterer) schlängelt sich eitel ironisch durch die Destruktions-Arbeit, die die Merteuil ihm abverlangt. Ein ebenso begnadeter wie gnadenloser Spieler, der die energische Dame schachmatt setzen will. Nicht ganz auf deren geistiger Höhe, aber als Springer recht tauglich und mit schamloser Eloquenz bestens ausgestattet. Sein Meis­terstück liefert er ab mit der Verführung der tugendhaften Madame de Tourvel. Johanna Falckner spielt die stolze Dame, deren frostige Unnahbarkeit sich bald in brennende Leidenschaft verwandelt. Was ihr ebenso wenig bekommt wie der kleinen Cécile de Volanges (als niedliches Girlie verkörpert von Julia Preuß), deren Jungfräulichkeit Valmont im Vampirkostüm lässig nebenbei erledigt. Die naive Klos­terschülerin erweist sich als gelehrige Elevin des bissigen Herzensbrechers. Benjamin Berger gibt ihren jungen Lover Danceny, der sich meist am Rand des Geschehens aufhält, zur Gitarre traurige Herzschmerzlieder singt (Musik: Jimi Siebels, dessen Soundtrack vom ruppigen Marquise-Rap bis zu Barockklängen reicht) und im Playboy-Bunny-Outfit der Merteuil in die Fänge gerät.
Mit putzigen weißen Rokoko-Perücken und einem frech angestimmten Purcell-Duett ziehen die beiden Sex-Kontraktpartner und giftigen Kontrahenten in die finale Schlacht. Es gibt freilich nur Verlierer in diesem bösen Spiel. Aber die beiden von Selbstekel tödlich zerfressenen Libertins bleiben da: „Was ist. Spielen wir weiter?“
Die Regie ihrer Komödie ist ihnen zwar entglitten wie zeitweise auch der neuen Bühnenfassung. Aber es gibt viel zu lachen im geistreichen Sentenzen-Gefecht und witzigen Figuren-Getümmel zwischen Sein und Schein.
Geeignet eher für erfahrene Zuschauer. Die geniale Charakterzeichnung des Filmklassikers von Stephen Frears (1988) vermisst man kaum angesichts der abgründigen Untiefen dieser intelligenten Kammerspiel-Inszenierung. Höflicher Premierenbeifall. E.E.-K.

Spieldauer
ca. 100 Minuten, keine Pause
die Nächsten Termine:
26.12. // 30.12.14 // 7.01. // 10.01. //
18.01. // 21.01. // 24.01.15

Donnerstag, 15.01.2015

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Letzte Aktualisierung: 28.03.2024 09:01 Uhr     © 2024 Theatergemeinde BONN | Bonner Talweg 10 | 53113 Bonn