Die wilden Schwäne - Kammerspiele - kultur 111 - Dezember 2014

Die wilden Schwäne
Foto: Theater Bonn
Die wilden Schwäne
Foto: Theater Bonn

Pure Theaterpoesie

Mutig und ausdauernd sind vor allem die Mädchen in Andersens Märchen. Ganz besonders Prinzessin Elisa, deren böse Stiefmutter die Königskinder vom Hof verbannt. Golden schimmern die Lichter im Palast (Bühne und Kostüme: Christl Wein-Engel), wo die Prinzen ihre Hausaufgaben mit Diamantgriffeln auf Goldtafeln schrieben, bevor ihr glückliches Leben jäh zu Ende ging. Die hexenhafte neue Königin verwandelt die Prinzen (bei Andersen sind es elf, in der früheren Fassung des Märchens bei den Brüdern Grimm und auf der Kammerspiel-Bühne sechs) in wilde Schwäne. Sogar vor dem Einsatz ekliger Kröten scheut sie nicht zurück, um die hübsche Elisa auszuschalten. Was ihr jedoch nicht gelingt, weil das Mädchen so fromm und unschuldig ist, dass keine Bosheit ihm etwas anhaben kann.
Der vielfach ausgezeichnete (u.a. „Faust“-Preisträger) Regisseur Kristo Šagor behält in seiner Bühnenbearbeitung von Die wilden Schwäne den poetischen Ton des romantischen Kunstmärchens bei. Es ist Andersens Sprache, in der die Schauspieler die Geschichte erzählen und die Figuren spielerisch lebendig machen. Es ist also ein steter ­Wechsel zwischen Bühnenaktionen und dem, was sich nur in der Fantasie bewegt. Anrührend ist in erster Linie selbstverständlich Elisa, eindrucksvoll verkörpert von der zierlichen jungen Maya Haddad. Ganz kindlich zunächst und eigenwillig unbeirrbar, wenn sie sich einsam auf die Suche nach ihren älteren Brüdern macht. Vielleicht am schönsten ist ihre Erkenntnis angesichts der vom Meer rund geschliffenen Kiesel. So unermüdlich wie das klare Wasser, das mit Zeit das Harte ebnet, will sie selbst sein. Sie hat genau diese sanfte Stärke, die sie die Schmerzen beim Stricken der rettenden Panzerhemden aus Brennnesseln ertragen lässt. Sie kann beharrlich schweigen, um die Erlösung ihrer geliebten Brüder nicht zu gefährden. Sie zeigt sogar stumm alle Gefühle von der zärtlichen Zuneigung zu ihrem königlichen Bräutigam bis zur Todesangst auf dem Weg zum Scheiterhaufen.
Šagors Inszenierung verharmlost nichts und macht aus der Geschichte bei allem beschwingten Witz keine ironisch dampfende Spaßmaschine.
Ein tolles Abenteuer ist dennoch der umwölkte Ozeanflug mit den Schwanenprinzen in ihre neue Heimat. An vom Bühnenhimmel hängenden Tauen trotzen die Geschwister allen Stürmen. Einfache Stricke markieren später auch den Nesselflachs, den Elisa für ihre Arbeit braucht. Samuel Braun und Jonas Minthe vom festen Ensemble sowie Michael Meichßner, Max von Mühlen, Lucas Sánchez und Christoph Türkay als Gäste spielen außer den sympathischen Brüdern zugleich alles andere: die herzlosen königlichen Eltern, die quakenden Kröten, die wüsten Friedhofs-Gespenster und nicht zuletzt den intriganten Erzbischof, der Elisa als Hexe denunziert. Selbst als Wasser und Wind machen sie gute Figur. Und natürlich als stolze Schwäne, die ihre kleine Schwester nicht im Stich lassen. Der jüngste, Elisas Lieblingsbruder, hat von Anfang an einen wie nach einem Bruch verbundenen Arm. Denn ganz fertig geworden ist sie nicht mehr. Der letzte Hemdsärmel fehlte noch, um alle Flügel wieder in Menschenarme zu verwandeln. Ein leises Signal dafür, dass trotz des guten Ausgangs eine ernste Erinnerung bleibt an die Macht der dunklen Zauberkräfte.
Viel eigene Vorstellungskraft fordert die liebevolle Aufführung dem Publikum durchaus ab, belohnt es jedoch mit einer emotionalen Intensität und spielerischen Intelligenz, die einfach bezaubert.

Empfohlen für Zuschauer ab acht Jahren. Aus dem schönen gestalteten Programmheft kann man sich zudem ein luftiges Schwanen-Mobile basteln. E.E.-K.

Spieldauer ca. 1 ¼ Stunden, keine Pause
die Nächsten Termine:
4.12. // 7.12. // 14.12. //
19.12. // 25.12. // 27.12. // 31.12.2014

Donnerstag, 11.12.2014

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