LAC (Tanzgastspiel Ballets de Monte Carlo) - Opernhaus Bonn - kultur 111 - Dezember 2014

Kampf zwischen Licht und Finsternis



Aus Schwanensee, dem Inbegriff des klassischen Balletts, ist kurz und bündig LAC (See) geworden in der Interpretation des französischen Starchoreographen Jean-Christophe Maillot. Er war selbst anwesend bei der Deutschland-Premiere seines 2011 uraufgeführten Werkes, mit dem die seit mehr als zwei Jahrzehnten von ihm geleiteten Ballets de Monte Carlo die Reihe der „Highlights des internationalen Tanzes“ im ausverkauften Bonner Opernhaus eröffneten.
Den legendären Tanz der kleinen Schwäne opfert Maillot der dramatischen Stringenz ebenso wie die reizenden Nationaltanz-Divertissements. Die glänzende höfische Welt im raffinierten Bühnenbild von Ernest Pignon-Ernest weicht bald einer rauen Felsenlandschaft. Mit dem Schriftsteller Jean Rouaud hat Maillot ein düsteres Tanzmärchen entwickelt, in dem animalische Erotik und reine Liebe aufeinanderprallen. Ein kurzer Film erzählt die Vorgeschichte: Eine geheimnisvolle Frau in Schwarz nahm dem kindlichen Prinzen seine unschuldige erste Liebe. Er ist traumatisiert von dem Verschwinden des zarten weißen Mädchens, wenn er als junger Mann eine Braut wählen soll und verzweifelt schwankt zwischen den Geschöpfen der Finsternis und des Lichts.
Etliche ‚Nummern‘ von Tschaikowskis Musik sind in der vom Band zugespielten Tonspur gestrichen oder umgestellt, die virtuosen Ballettfiguren von Petipa/Iwanow werden gelegentlich zitiert, aber sehr genau in einen psychologischen Zusammenhang gestellt. Die große Compagnie (ca. 50 Mitglieder) aus Monaco tanzt auf allerhöchstem Niveau, mischt klassische Figuren auf der Spitze mit elastisch neoklassischen Formen und moderner, fast sportiver Energie.
Tänzerisch aufgewertet ist das Königspaar, das goldglänzend den Prinzen streng zur Heirat drängt. Aus dem bösen Zauberer Rotbart ist „Sa Majesté de la Nuit“ (möglicherweise Ex-Geliebte des Herrschers) geworden, begleitet von zwei muskulösen Erzengeln der Finsternis. Namenlose Tochter dieser wilden Königin der Nacht ist die schwarze Schwanenfrau, die aggressiv verführerisch den quecksilbrigen Prinzen anlockt. Die gefiederten Hände des weißen Schwans flattern hilflos, bevor aus dem unglücklichen Tier wieder das Mädchen wird, an das der Prinz einst seine Seele verlor. Ein paar schwarze Federn an ihrem Kleid (traumhafte Kostüme: Philippe Guillotel) signalisieren freilich, dass die naive Kinderseligkeit vorbei ist. Der traditionelle Gegensatz zwischen der weißen Odette und der schwarzen Odile ist ebenso aufgehoben wie der zwischen Gut und Böse. Am Schwanensee entfaltet sich ein rasanter Liebesangst-Taumel, der tänzerisch geradezu überirdisch schön in tiefste Abgründe des Begehrens führt, aus dem keiner unbeschädigt wieder auftaucht. Der Beifall nach gut zwei Stunden war stürmisch. E.E.-K.

Donnerstag, 11.12.2014

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