Nicola Bramkamp - kultur 109 - Oktober 2014

N. Bramkamp | privat
Foto: W. Bender
N. Bramkamp | privat
Foto: W. Bender

Elisabeth Einecke-Klövekorn trifft Nicola Bramkamp,
Schauspieldirektorin am Theater Bonn

Elisabeth Einecke-Klövekorn trifft Nicola Bramkamp,
Schauspieldirektorin am Theater Bonn
„Unsere erste Spielzeit in Bonn war extrem aufregend und lehrreich“, erklärt sie bei unserem Gespräch in einem kleinen Café im Bad Godesberger Villenviertel. Nicola Bramkamp kommt gerade von einer Probe zu Schnitzlers Anatol in der Werkstatt. Das Stück hat dort am 14. September Premiere, Saisonstart in den Kammerspielen ist zwei Tage zuvor mit Tschechows Möwe. „Wenn ich unsere Arbeit im letzten Jahr mit einem Wort charakterisieren soll, fällt mir spontan ‚atemlos‘ ein. Damit meine ich vor allem die atemberaubende Energie des ganzen Teams, das sich hier neu zusammengefunden hat. Die Euphorie, eine Stadt mit einem künstlerischen Programm zu begeistern und neue Wege zu gehen. Wir haben im ersten Jahr sehr viel gemacht, um herauszufinden, wie diese Stadt eigentlich funktioniert und wie unser Theater dort eine besondere Relevanz entwickeln kann. Nach der energetischen Anfangsphase, zu der neben großen Erfolgen notwendig auch immer einige Enttäuschungen gehören, möchten wir uns jetzt konzentrierter fokussieren. Das neue Programm reagiert viel konkreter auf die Bedürfnisse der Stadt, wir haben wichtige Weggefährten vor Ort gefunden, mit denen wir gemeinsame Projekte realisieren. Es ist schön zu merken, dass unsere atemlose Anfangsphase so langsam in ein entspanntes Ankommen übergeht. Stolz bin ich darauf, dass unsere künstlerische Arbeit mehr überregionale Aufmerksamkeit fand, als ich zu hoffen gewagt hatte.“
Die Schauspieldirektorin Nicola Bramkamp legt großen Wert auf das „Wir“ und kollektives Arbeiten. „Wir haben ein großartiges Ensemble, das in dem einen Jahr so zusammengewachsen ist, dass wir jetzt unsere Potenziale weiter ausbauen können. Etliche Ensemblemitglieder waren zuvor ja schon an anderen, z.T. sehr großen Häusern engagiert und bringen wichtige Erfahrungen mit. Dass man uns ständig für sehr jung hält, liegt möglicherweise an einer besonderen Dynamik“ meint sie selbstbewusst. „Selbstverständlich vertreten wir eine andere Ästhetik als meine Bonner Vorgänger, vor deren Leistung ich einen hohen Respekt habe. Wir leben schon fast anderthalb Jahrzehnte im 21. Jahrhundert und müssen mit unseren künstlerischen Mitteln seismographisch auf die heutige Situation der globalisierten Welt reagieren. ‚Was geht mich die Welt an‘ ist unser Spielzeitmotto, und wir versuchen, die Extreme auszuloten. Wir erzählen von Figuren, die so egomanisch sind, dass ihnen die Welt völlig egal ist, und gleichzeitig erzählen wir Geschichten von Welteroberern, Visionären. Damit verbunden ist dann die Frage: Wie positioniere ich mich, was kann ich persönlich tun? Das neue internationale Bonn ist dafür ein extrem spannender Ort.“
Geboren wurde Nicola Bramkamp 1978 im niedersächsischen Schwagstorf in der Nähe von Osnabrück. 1986 drehte in der dörflichen Umgebung ein ARD-Team für Die Sendung mit der Maus. Ein kleines blondes Mädchen namens Nicola Bramkamp spielte die Hauptrolle und ein Jahr später auch in einem Kurzfilm, der unter dem Titel Die diebische Elster ins Fernsehen kam. Bramkamp wirkte in Schultheater-AGs mit und machte ein Schülerpraktikum in der Maske des Osnabrücker Theaters. „Die Welt hinter der Bühne faszinierte mich mehr als die Schauspielerei. Bis zum Abitur wusste ich jedoch gar nicht, wie viele Berufe es am Theater gibt und was Dramaturgen so machen. Ich war die erste in meiner Familie, die die Hochschulreife erlangte. Mein Vater interessiert sich bis heute mehr für Fußball als für Theater.“
Nach dem Abitur in Bad Essen entschied sie sich für ein Jurastudium. 1997 brachte dieses sie zum ersten Mal nach Bonn: als Verwaltungspraktikantin im Abgeordnetenhochhaus des Deutschen Bundestages. „Dessen Umzug nach Berlin stand damals ja schon fest; mich hat umso mehr interessiert, was im ‚Langen Eugen‘ jetzt passiert. Hier residiert nun der UN-Campus mit seinen Mitarbeitern aus aller Welt. Hier wirken viele Institutionen, die an der Zukunft unseres Planeten arbeiten. “
Bei Nicola Bramkamp gewann das Interesse am Theater doch bald die Oberhand. In Berlin und Bochum studierte sie Germanistik, Theaterwissenschaft und Betriebswirtschaftslehre, arbeitete als Gastdramaturgin in Wuppertal, als Regieassistentin am Hessischen Staatstheater Wiesbaden und machte erfolgreich ihren BWL-Abschluss. Von 2002 bis 2004 lebte sie in Köln und war Projektleiterin beim vom NRW-Kultursekretariat veranstalteten, damals noch jährlichen und u.a. auch von der Stadt Bonn unterstützten OFF-Theater-Festival „Impulse“. Bei internationalen künstlerischen Kooperationen sammelte sie wichtige Erfahrungen. Unter der Direktion von Markus Heinzelmann, der in Bonn in der letzten Spielzeit Helmut Kohl läuft durch Bonn inszenierte, gehörte sie 2004/05 zum künstlerischen Leitungsteam des Theaterhauses Jena, das durch seine innovativen Produktionen bundesweit für Aufsehen sorgte. Von 2005 bis zu ihrer Berufung nach Bonn war Bramkamp dann unter der Intendanz von Friedrich Schirmer und in der folgenden langen Interimszeit bis zum Amtsantritt der aus Köln an die Elbe gezogenen Intendantin Karin Beier Dramaturgin am Deutschen Schauspielhaus Hamburg. Sie betreute dort zahlreiche Arbeiten von prominenten Autoren und Regisseuren und baute sich bundesweit Kontakte auf, die sie nun für ihr Arbeitsfeld Bonn einsetzt. Die Mischung aus renommierten Künstlern und vielversprechenden Talenten ist ihr Spezialgebiet, so dass neben bekannten Regisseuren wie Volker Lösch auch hoffnungsvolle Nachwuchsregisseure wie z.B. Sebastian Kreyer (s. kultur-Kritik zu Die Möwe auf Seite 4) und Mina Salehpour („Faust“-Preis 2013 für die beste Regie im Kinder- und Jugendtheater, 2015 inszeniert sie die Uraufführung von Traurigkeit und Melancholie in der Bonner Werkstatt) hier arbeiten.
Bramkamps Chef ist Generalintendant Bernhard Helmich, der sie für fünf Jahre engagiert hat, also bis zum Ende seines am 31. Juli 2018 auslaufenden Vertrags mit der Stadt Bonn. Die Zeit bis dahin will sie produktiv nutzen. „Natürlich bilden wir uns nicht ein, mit unserem Theater die ganze Welt retten zu können. Auf dem Flyer zu unserem theatralen Kongress Anfang Oktober steht ein kleiner Batman trotzig am Rhein vor der Kulisse des UN-Hochhauses. Diese freche Selbstironie mag ich sehr.“ Für das große Projekt auf dem Gelände der Halle Beuel hat Nicola Bramkamp sofort auch Nike Wagner begeistert, die neue Intendantin der Beethovenfeste Bonn. Eine „utopische Expedition“ ist also das Finale des diesjährigen Beethovenfestes und sicher ein Anfang weiterer Kooperationen. Die Vernetzung der neuen Internationalität der Stadt mit Wissenschaft und Kultur ist beiden ein dringendes Anliegen.
Um Kunst zu machen, ist ein solider Pragmatismus freilich unerlässlich. „Das öffentliche Geld fürs Theater wird vorläufig gewiss nicht mehr. Klassisches Stadttheater-Repertoire ist ein Standbein, das wir auf jeden Fall pflegen wollen.“ Ganz aktuell muss sie gerade ihren kleinen Sohn pflegen, der sich vor ein paar Tagen ein Bein gebrochen hat. Eins erzählt sie mir aber noch: „Kürzlich zeigte mir meine Mutter den Fahrplan eines in Osnabrück neu eingerichteten Theaterbusses. Ich konnte ihr stolz berichten: Das macht die großartige Theatergemeinde Bonn schon seit 60 Jahren.“

Donnerstag, 13.11.2014

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