Sören Wunderlich - kultur 107 - Juni 2014

Elisabeth Einecke-Klövekorn trifft Sören Wunderlich: Hjalmar Ekdal, Valerio und Helmut Kohl

Hjalmar Ekdal, Valerio und Helmut Kohl
Im Sommer 2012 wurde Sören Wunderlich bei den Bad Hersfelder Festspielen mit dem „Großen Hersfeldpreis“ als bester Schauspieler ausgezeichnet für seine „herausragende Verkörperung“ des Hans Castorp in einer Bühnenbearbeitung von Thomas Manns Roman Der Zauberberg in der Regie des Polen Janusz Kica. Wunderlich gebe der Figur klare Kontur; sein jungenhafter Charme transportiere Manns Hauptperson in die Gegenwart, seine intensive Spielfreude und seine permanente Bühnenpräsenz seien bewundernswert, hieß es in der Begründung der Jury.
Damals war Wunderlich noch fest am Deutschen Schauspielhaus Hamburg engagiert, seit dieser Spielzeit gehört er zum Bonner Schauspiel-Ensemble.
Dem hiesigen Publikum vorgestellt hat er sich in der Rolle des kriegsversehrten Lehrers Friedrich Becker in Karl und Rosa nach dem Roman von Alfred Döblin. Mit der Regisseurin Alice Buddeberg hatte er bereits in Hamburg zusammengearbeitet bei deren Debüt im großen Haus 2011 mit Tschechows Möwe. Von der Kritik einhellig gelobt wurde seine Darstellung des jungen Dramatikers Kostja. Seine Geliebte Nina spielte übrigens Johanna Falckner, die jetzt auch in Bonn seine Kollegin ist. Die Lena in Büchners Leonce und Lena hatte sie bereits in Bremen gespielt, während Wunderlich sich die Rolle des Dieners Valerio bei der Übernahme dieser Produktion in die Bonner Kammerspiele neu erarbeiten musste. „Die Anlage der Figur stand schon fest, aber natürlich konnte ich sie für mich neu erfinden“, erklärt er bei Cappuccino und Erdbeerkuchen in einem Bad Godesberger Café.
In dem Bonner Stadtteil Bad Godesberg wohnt er inzwischen mit seinen beiden kleinen Söhnen und seiner Frau, der Schauspielerin Lydia Stäubli, die seit dieser Spielzeit ebenfalls zum neuen Bonner Ensemble gehört. In Ibsens Wildente steht das Paar nun gemeinsam in den Kammerspielen auf der Bühne. Wunderlich spielt fabelhaft genau den in seinen Lebenslügen verfangenen jungen Ekdal, Stäubli seine tapfere Gattin Gina. 2009 spielten die beiden schon zusammen bei der Uraufführung des Stückes Kritische Masse von Oliver Bukowski in der Regie von Sebastian Nübling. Die Produktion des Deutschen Schauspielhauses Hamburg (eine der beiden Dramaturginnen des Auftragswerks war Nicola Bramkamp, seit dieser Spielzeit Bonner Schauspieldirektorin) wurde zu den Mülheimer Theatertagen eingeladen.
In der Bonner Werkstatt verkörpert Wunderlich verschiedene Kohls in Helmut Kohl läuft durch Bonn und freut sich schon auf das Gastspiel Anfang Juni bei den Autorentheatertagen am Deutschen Theater Berlin. „Ich mag den anarchischen Witz und die absurden Sprachspiele dieses Stückes.“ Einen relativ kurzen, aber prägnanten Auftritt hat er als heruntergekommener, auf die Wahrheit pochender Sol in Die Opferung von Gorge ­Mastromas (s. S. 14).
Geboren wurde Sören Wunderlich 1979 im sächsischen Radebeul, wo Karl May seine letzten Lebensjahre verbrachte. „Die alten Winnetou-Filme mit Pierre Brice und Lex Barker waren zu Weihnachten quasi Pflichtprogramm in meiner DDR-Kindheit“, erzählt Wunderlich. „Wir spielten deshalb auch nicht Räuber und Gendarm, sondern lieber Indianer und Cowboy.“ Bei den Karl-May-Stücken auf der Freilichtbühne Rathen wirkte er in den Sommerferien regelmäßig als Statist mit und fand Gefallen am Theater. Seine erste große Rolle spielte er in der Schultheatergruppe seines Gymnasiums: Professor Nägler in Curt Goetz‘ Komödie Das Haus in Montevideo. Danach dann im Jugendclub der Landesbühne Radebeul den Melchior in Wedekinds Frühlings Erwachen. Er bewarb sich an mehreren Schauspielschulen, sah dabei ein Forstwirtschafts-Studium als realistische Alternative, bekam aber während seines Zivildienstes an einem Krankenhaus bereits einen der begehrten Studienplätze an der Leipziger Hochschule für Musik und Theater „Felix Mendelssohn Bartholdy“. Praktische Bühnenerfahrungen sammelte er in der zweiten Hälfte seines Studiums am Städtischen Theater Chemnitz und wurde nach dem Diplom 2002 gleich ans Landestheater Tübingen engagiert.
Ein absoluter Hit wurde die dort produzierte und von Stefan Paul verfilmte Rio-Reiser-Revue Der König von Deutschland, in der Wunderlich den legendären Rockstar spielte. „Es war eine tolle Zeit mit guten Kontakten zur Studentenszene und solch schönen Schiller-Rollen wie Ferdinand in Kabale und Liebe und Franz Moor in den Räubern – letztere inszeniert von Martin Nimz, der jetzt bei der Wildente Regie führte. Da hat mich Friedrich Schirmer gesehen und mit Beginn seiner Hamburger Intendanz 2005 ans Deutsche Schauspielhaus geholt. Es war eine tolle Erfahrung, an einem solch großen Haus zu arbeiten.“
Die acht Jahre an der Elbe haben seine Entwicklung nachhaltig geprägt. Als für ihn besonders wichtigen Regisseur nennt er den 2009 verstorbenen Jürgen Gosch. „Seine Inszenierung Unten / Nachtasyl nach Maxim Gorki z.B. verlangte starke Emotionen. Ich mag Bühnensituationen, bei denen man sich selbst als Person vertrauen muss und allen Mitspielern vertrauen kann.“ Sehr gefallen haben ihm auch die Arbeiten mit Karin Henkel (Glaube Liebe Hoffnung 2009) und Stephan Kimmig (Der Fall der Götter 2011). „Es sind aber nicht immer die großen Namen, die einen voranbringen“, meint er. „Schon als Student habe ich jedoch den Schauspieler Thomas Thieme sehr bewundert und war sehr glücklich, dann mit ihm gemeinsam auf der Bühne zu stehen.“ Das war in Kleists Robert Guiskard in der Regie von Frank Hoffmann, der damit 2010 die von ihm geleiteten Ruhrfestspiele Recklinghausen eröffnete.
Im neuen Bonner Ensemble fühlt Wunderlich sich sehr wohl. „Es ist viel kleiner, aber auch ‚nahbarer‘ als in Hamburg.“ Zur Werkstatt fährt er gern am Rhein entlang mit dem Fahrrad. Für kürzere Strecken benutzt der hochgewachsene (190 cm) Schauspieler seit dem letzten Sommer häufig ein Skateboard. In der nächsten Saison wird er zum ersten Mal in der Halle Beuel auftreten. Er spielt Heinrich IV. in Alice Buddebergs großem Shakespeare-Projekt Königsdramen I + II.
An seinem Beruf liebt er besonders, „dass man sich immer wieder frisch mit Themen auseinandersetzt und in der Übung bleibt, eigene und andere Blickwinkel zu ändern. Zumal es einfach ein schönes Privileg ist, etwas Sinnvolles zu tun.“

Dienstag, 04.11.2014

Zurück

Merkliste

Veranstaltung

Momentan befinden sich keine Einträge in Ihrer Merkliste.



Letzte Aktualisierung: 29.03.2024 16:01 Uhr     © 2024 Theatergemeinde BONN | Bonner Talweg 10 | 53113 Bonn