Helden oder Der Pralinésoldat - kultur 103 - Februar 2014

Helden oder Der Pralinésoldat
im Kleinen Theater Bad Godesberg: Schokolade statt Schlachtenruhm



Die reizende Raina hat eine Vorliebe für feine Pralinen. Und ein großes Herz, weshalb sie von ihrem Vorrat sogar einem Feind etwas abgibt. Artillerie-Hauptmann Bluntschli (diesen Namen konnte wohl nur ein gebürtiger Ire erfinden), Schweizer Söldner im Dienst der serbischen Armee, flüchtet nämlich nach verlorener Schlacht direkt ins Schlafzimmer der reichen bulgarischen Majorstochter. Eigentlich ist’s dem todmüden Soldaten ziemlich egal, wo er sich ausruhen kann. Mit heiler Haut davonzukommen und möglichst wenig Schaden anzurichten, ist sein erklärtes Ziel. Seine Patronentasche füllt er deshalb lieber mit nahrhafter Schweizer Schokolade als mit scharfer Munition. Leider hat das nicht viel genützt gegen die tollkühne bulgarische Kavallerie. Deren Sieg war zwar auch kein strategisches Meisterstück, aber im Krieg ist das Glück halt ebenso unberechenbar wie sonst auch. Bluntschli sieht das reichlich nüchtern. Im Gegensatz zu dem stolzen Helden Sergius, der zudem noch verlobt ist mit Raina.
George Bernard Shaws 1894 in London uraufgeführte Komödie Helden (Originaltitel in Anspielung auf den Anfang von Vergils ­Aeneis: „Arms and the Man“) spielt im serbisch-bulgarischen Krieg 1885/86, der heute fast vergessen ist. Leider führen inzwischen auch die Stücke des irisch-britischen Dramatikers und Literatur-Nobelpreisträgers Shaw (1856 – 1950) auf deutschen Bühnen eher ein Nischendasein. Im Kleinen Theater Bad Godesberg stehen seine Werke indes immer mal wieder auf dem Spielplan. Hier hat nun das Salzburger Regie-Urgestein Klaus Gmeiner die heitere Abrechnung mit dem kriegerischen Heroismus inszeniert. Er nimmt die Ironie der Geschichte durchaus ernst und setzt die sprachlichen Pointen des Textes fast beiläufig. Noch 1921 erreichten übrigens protestierende bulgarische Studenten die Absetzung der „Helden“ in Wien wegen der angeblichen ‚Verunglimpfung‘ ihres Landes. Inzwischen gehört Bulgarien zur EU und Pazifismus zum Grundkonsens des Kontinents.
Ein wenig bodenständige Balkan-Folklore bringen Kara Schuttes Kostüme ins Spiel, aber die wohlhabende bulgarische Familie Petkoff ist den Segnungen der westlichen Zivilisation keineswegs abgeneigt. Für die geschmackvolle Ausstattung der Petkoffschen Villa hat Bühnenbildner Rolf Cofflet gesorgt. Für Rainas kulturelle Bildung stehen regelmäßige Opernbesuche in Sofia. Mit tragischen Konflikten hat Bluntschli freilich wenig im Sinn. Stattdessen erscheint er nach dem Krieg mit schweizerischer Pünktlichkeit, um den Mantel zurückzubringen, der ihm einst das Leben rettete und nun zum Requisit unvermeidlicher komödiantischer Verwirrungen wird.
Leo Braune spielt den sympathischen Antihelden Bluntschli mit köstlichem Schweizer Akzent und lakonischem Charme. Kein abgebrühter Zyniker, sondern ein erfahrener Berufssoldat, der auf mörderischen Ruhm gern verzichtet. Als verzweifeltes Häuflein Elend weckt er das Mitleid der Damen, die dem verzweifelten Derserteur den Weg in die Freiheit ermöglichen. In seiner strahlend weißen Uniform wäre er durchaus operettentauglich (Oscar Strauss hat das Stück tatsächlich 1908 vertont), auch wenn seine Geschäfte mit militärischer Ausrüstung nicht unbedingt sauber sind.
Hanno Dinger gibt mit gehörigem Pathos den romantischen Helden Sergius, der seinen Rivalen eifersüchtig zum Duell fordert und schließlich kampflos dem koketten Stubenmädchen Louka (Marie Hiller) erliegt. Der brave Diener Nicola (Nikolas Knauf / Patrick Dollmann) wird deren Glück nicht im Wege stehen.
Die süße blonde Raina (entzückend: Henrike Richters) braucht nicht unbedingt einen Kriegshelden, sondern eher einen zivilisierten Kavalier. Die strengen Grundsätze ihrer attraktiven Mama Katharina (Heike Schmidt) schmelzen ohnehin wie Milchschokolade angesichts der Bluntschli-Charme-Offensive. Der väterliche Segen des alten Haudegens Pawel (Martin Zuhr) ist spätestens dann sicher, wenn der nicht mehr ganz blutjunge „Pralinésoldat“ sein beträchtliches Vermögen nachweist. Warum soll man für Ideale sterben, wenn es gute Gründe fürs Leben gibt? Ein solide ererbtes Hotelimperium macht einen Bluntschli zwar nicht gleich zum Schweizer Kaiser oder König aller Herzen. Aber an der Seite eines friedlich freien Bürgers wird Rainas Himmel voller Schokotrüffel hängen. Zartbitter luftig wie der ganze Spaß, bei dem Shaws bissiger Witz ziemlich schmerzfrei unterhält. E.E.-K.



Spieldauer ca. 2 Stunden inkl. einer Pause.
Das Stück stand bis 26.02.2014 auf dem Spielplan.

Dienstag, 10.06.2014

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