Tosca - kultur 101 - Dezember 2013

Tosca in der Oper: Großes Kino für Augen und Ohren

Die Todesarten sind etwas anders als im Original. Der mächtige Scarpia wird von Tosca erdrosselt, sie springt am Ende auch nicht von der Engelsburg, sondern greift zur Pistole. Der Regisseur Philipp Kochheim, der in Bonn in der Spielzeit 2011/12 bereits das Musical Hair auf die Bühne brachte, hat Puccinis Politthriller Tosca in die 70er Jahre des vergangenen Jahrhunderts verlagert und erzählt das populäre Werk als spannungsgeladenen Krimi, angereichert mit allerhand Zitaten aus den Filmen des italienischen Neo­realismus. Das funktioniert überzeugend in dem Werk, dessen Handlung sich exakt datieren lässt auf Mitte Juni 1800. Die Inszenierung spiegelt die damaligen Auseinandersetzungen zwischen Republikanern und Royalisten in die Zeit der mörderischen Aktionen der Mafia und der kommunistischen Roten Brigaden.
Es herrscht eine Atmosphäre von Gewalt und Angst in Rom. Staat, Kirche und Mafia sind ebenso undurchschaubar wie unauflöslich miteinander verflochten. Fahrraddiebe machen sich vor der Kirche Sant’Andrea della Valle zu schaffen, während in dem Straßencafé gegenüber eine Frau von einem Mann brutal weggezerrt wird. Später wird ein Auto von einer Bombe zerfetzt. Ein Bombenanschlag auf die italienische Königsfamilie war am 14.Januar 1900 im römischen Opernhaus angedroht bei der Uraufführung von Tosca, die trotz aller vorhergehenden Querelen ein ungeheurer Erfolg wurde. Auf großen Zuspruch stieß auch die Premiere der aktuellen Produktion, bei der mehrere neue Ensemble-Mitglieder ihr Bonn-Debüt gaben.
Allen voran die aus Madagaskar stammende Kanadierin Yannick-Muriel Noah in der Titelrolle. Ihr Sopran hat die ganze Fülle und Leidenschaftlichkeit der eifersüchtig liebenden Diva, die zwischen Gefühl, Kunst und Politik zerrieben wird. Sie ist der gefeierte Gesangsstar Floria Tosca im leuchtend roten Abendkleid (Kostüme: Gabriele Jaenecke) und die verzweifelte Frau, die angesichts der Leiden ihres Geliebten kapituliert, aber den verhass­ten Polizeichef Scarpia nicht lebendig davon kommen lässt. Der exzellente Bariton Evez Abdulla verleiht diesem gewissenlosen Machtmenschen die brutale Hinterhältigkeit eines Mafioso, der zwischen Legalität und Verbrechen seine schleimigen Fäden spinnt. In elegantem Weiß mit schicken Designermöbeln ausgestattet ist sein Arbeitszimmer im Quirinals-Palast (Bühnenbildner Thomas Gruber hat für die drei Akte der Oper jeweils unterschiedliche Ambientes geschaffen), wo sich ein Zimmermädchen mit Staubwedel an einem antikisierenden Heldenfries zu schaffen macht, während der Herr lässig eine Zigarette genießt und verschärfte Maßnahmen für den Gefangenen im Nebenzimmer anordnet.
Eher ein Intellektueller als ein strahlender Held ist der Cavaradossi des finnischen Tenors Christian Juslin. Irgendwie ist der Maler reingerutscht in die revolutionäre Bewegung und redet sich selbst nach schwerer Folter noch jubelnd um Kopf und Kragen, als die Nachricht vom Sieg Napoleons eintrifft. Ironie der Geschichte: Einen Tag später wäre Scarpia seinen Job ohnehin los gewesen und möglicherweise gleich in den Dienst der Republikaner getreten. Leider reicht seine Gemeinheit noch über seine Leiche hinaus. Auf einem düsteren Hinterhof wird Cavaradossi, nachdem er noch wundervoll die Sterne besungen hat, schnöde abgeknallt, während der junge Hirte wie ein verirrtes Punk-Girl durch die Szenerie geistert. Katharina Liebhardt, ein Gewächs des Jugendchors der Oper, singt und spielt anrührend diese kleine Partie.
Einen würdigen Angelotti gibt der Bassbariton Rolf Bromann, einen agilen Kirchendiener der Bass Priit Volmer als Mesner. Zu allen Schandtaten bereit sind die beiden Polizeispitzel und sauberen Folterknechte Spoletta und Sciarrone (Johannes Mertes und Alexey Smirnow).
Glänzend führt der neue Chefdirigent Hendrik Vestmann die Sänger und das jeden Moment genau kommentierende Beethoven-Orchester durch diesen effektvollen Rausch der Affekte. Der von Volkmar Olbrich einstudierte Opernchor und der von Ekaterina Klewitz einstudierte Kinderchor beweisen wieder mal ihre stimmliche und spielerische Perfektion.
Puccinis mit Sex, Crime und politischer Verschwörung gepfefferte Oper hat solide Spielfilmlänge. Die rasante Story fasziniert ohnehin. Musikalisch lässt diese Bonner Tosca kaum Wünsche offen, optisch ist sie opulent. Tolles Kino live und bestens geeignet auch für Einsteiger in die Opernwelt. E.E.-K.

Spieldauer ca. 2½ Stunden,
inkl. einer Pause
Die weiteren termine
7.12., 18.12., 25.12., 29.12.,
12.01., 18.01.,24.01., 26.01.,
1.02., 8.02., 15.02., 23.02., 27.03.

Donnerstag, 09.01.2014

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