Widersacherinnen - kultur 38 - Juni 2007

Generationenduell - von Gérard Bagardie in der Pathologie

In Frankreich regiert eine Frau. Julie Gautier ist demokratisch gewählte Präsidentin der Grande Nation. In den Pariser Vorstädten rebellieren die Jugendlichen gegen das verkrus­tete politische System, das ihnen keine Perspektiven bietet. Géza Benahoui, eine Sorbonne-Studentin aus muslimischer Familie, leitet das europäische Jugendnetzwerk.1968 ist Geschichte, wir befinden uns in der Mitte des 21. Jahrhunderts. Der französisch-baskische Autor Gérard Bagardie entwirft in seinem 1999 mit großem Erfolg uraufgeführten Stück Widersacherinnen eine sehr aktuelle Zukunftsvision vor dem Hintergrund der demographischen Entwicklung. Reinar Ortmann hat den Machtkampf zwischen den Generationen im Theater Die Pathologie als konzentriertes intimes Kammerspiel inszeniert.
In dem kleinen, sparsam dekorierten Raum herrscht Hochspannung. Julie hat Géza zu Verhandlungen eingeladen. Es ist ein Wettlauf mit der Zeit, denn die Armeen beider Seiten stehen zum blutigen Bürgerkrieg bereit. Helga Bakowski ist die Vertreterin der etablierten Politik: elegant, souverän, machtbewusst - eine eiserne Lady der Bürokratie. Jeder ihrer Sätze trifft mit eisiger Ironie direkt einen Nerv der jungen Kämpferin, die die alte Herrscherin zur Abdankung treiben und selbst die Macht an sich reißen will. Mit den besten Absichten, aber ohne Konzept außer dem, dass die Staatsgewalt denen gehört, die eine Zukunft vor sich haben. Maren Pfeiffer spielt sie im militärischen Outfit und klobigen Springerstiefeln: trotzig, brennend ungeduldig - eine heilige Johanna der Jugendrevolte. Ihr intimer sprachlicher Schlagabtausch reißt etliche Fassaden ein. Julies Krebskrankheit könnte ebenso eine raffinierte Lüge sein wie die Geschichte von ihrem Großvater, der den Holocaust überlebte und dabei seine Seele verlor. Die von ihm geerbte Pistole könnte geladen sein… Die junge Frau, die da so ehrlich wütend an den Sinn der Macht glaubt, könnte ihre Tochter sein. Géza wird in dieser Nacht lernen, dass die Macht ohne Bauernopfer nicht zu haben ist. Die Handys am Handgelenk garantieren die Kommunikation zur Außenwelt. Drinnen wird mit Champagner ein möglicher Kompromiss begossen. Dennoch wird eine der Damen stürzen. Weil die Geschichte zwischen Kalkül und Zufall ihre eigenen Wege geht. E.E.-K.

Aufführungsdauer: ca. 50 Min., ohne Pause
Im Programm bis: nächste Spielzeit

Donnerstag, 06.12.2007

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