Kleine Eheverbrechen - kultur 56 - April 2009

Ein bisschen Mord wirkt Wunder - Kleine Eheverbrechen von Eric-Emmanuel Schmitt im Kleinen Theater

Sieht echt nicht so gut aus für Gilles Andary, der bei einem Unfall, von dem ein Pflaster auf seiner Stirn deutlich zeugt, das Gedächtnis verloren hat. Er bewegt sich zwar einigermaßen schwindelfrei, redet durchaus elaboriert und begreift offenbar seinen bedenklichen Zustand. Nur die eigene Identität ist ein weißer Fleck und die Beziehung zu der wildfremden, attraktiven Dame, die ihn aus der Klinik abgeschleppt hat, ein schwarzes Loch. Sie behauptet nicht nur mit penetranter Fürsorglichkeit, seine Gattin Lisa zu sein und ihn zur weiteren Pflege in die gemeinsame Wohnung zurückgeholt zu haben, sondern rekonstruiert auch Details aus der glücklichen zweisamen Vergangenheit. Ein wundervoller Partner sei dieser Gilles gewesen: geistreich, leidenschaftlich, zärtlich, großzügig, ein geduldiger Berater selbst bei ausufernden Shoppingtouren. Sogar die überall herumstehenden farbintensiven Bilder (reizvolle Ausstattung: Wolfgang Heidelmeyer) habe er gemalt, was Gilles ein leicht gequältes Augenbrauenzucken entlockt. Als fleißiger, erfolgreicher Krimiautor (einer seiner Bestseller heißt: „Kleine Eheverbrechen“) habe er zumeist an seinem Schreibtisch gehockt und Mörderinnen erfunden. „Die Mütter schlagen zurück“ sei eine seiner vielen brillanten Sentenzen gewesen.
Solch geschliffene Bosheiten können nur von Eric-Emmanuel Schmitt stammen, dessen Dia­logstück Kleine Eheverbrechen das Kleine Theater Bad Godesberg in der Regie von Margot Maria Paar auf die Bühne gebracht hat. Paar spielt zudem die raffinierte Lisa, die immer noch einige strategische Volten parat hat im ehelichen Beziehungskampf. Die barmherzige Samariterin lockt ihren Partner weiblich verführerisch aus der Deckung und schlägt ihm im nächsten Moment die kleinen Gemeinheiten um die Ohren, mit denen er sie zur Verzweiflung, in den Suff und möglicherweise bis zum versuchten Totschlag getrieben hat. Leo Braune mit gepflegtem Bart, lässigem Outfit und unverschämter Ironie gibt den feingeistigen Gilles perfekt. Die Tarnung als hirnamputierter Doppelgänger von Lisas Ehemann weicht bald seinen hinterhältigen verbalen Paraden. Der Mann ist schließlich nicht umsonst ein guter Schriftsteller, dem die Welt solch schöne Sätze verdankt wie: „Sieht man eine Frau und einen Mann vor dem Standesbeamten, sollte man sich fragen, wer von den beiden der Mörder sein wird.“
Eine spannende Light-Version von Wer hat Angst vor Virginia Woolf? zwischen Kreuzfahrt-Affinität und Panzerkreuzer-Mentalität.
E.E.-K.

Wurde leider nur bis zum 21.03.09 gespielt.

Samstag, 02.01.2010

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