Die Sternstunde des Josef Bieder - kultur 68 - Juli 2010

Der Requisiteur als Star
Die Sternstunde des Josef Bieder
im Kleinen Theater

Manchmal weiß niemand so genau, ob ein Gegenstand ein Möbel ist oder eine Requisite. Für eine Lampe, die leuchtet, sind logischerweise die Beleuchter zuständig. Aber ohne Strom ist sie arbeitsrechtlich ein Grenzfall. Der Requisiteur Josef Bieder kennt sich nach vierzig Theaterjahren hinter der Bühne bestens aus zwischen Rigoletto und Land des Lächelns. Er kennt die Applausordnungen und die kleinen Tricks der Stars zur Verlängerung des stürmischen Beifalls. Und nun schaut er völlig verdutzt in den ausverkauften Zuschauerraum und läuft erst mal durch die Reihen, um die Karten zu kontrollieren.
Weiß der Teufel, wer an diesem spielfreien Abend das Publikum reingelassen hat, das für sein Geld eine Vorstellung erwartet. Wahrscheinlich ist der ständig indisponierte Chefdis­ponent schuld. Aber dessen Telefon ist dauernd besetzt, und der Intendant ist sowieso nicht zu sprechen. Jedenfalls nicht für Josef Bieder und die kleine Technikmannschaft, die für die morgige Bühnenprobe noch ein paar Kleinigkeiten vorbereiten müssen. Natürlich ist das alles Theater, und selbstverständlich gibt es eine Aufführung.
Die Sternstunde des Josef Bieder nämlich, die der versierte Musikjournalist und Theatermann Eberhard Streul zusammen mit dem Wiener Schauspieler und berühmten Opernregisseur Otto Schenk verfasst hat. Letzterer wird im Juni 80 Jahre alt und macht sich seit der Uraufführung der „Sternstunde“ 1992 immer noch ein Vergnügen daraus, in der Rolle des Josef Bieder über das Leben auf und hinter der Bühne zu plaudern.
Das Monologstück – im Kleinen Theater neu inszeniert von Rolf Heiermann – ist echtes Schauspielerfutter für Erzkomödianten wie z.B. Fritz Peter Schmidle. Er wuselt mit listiger Biederkeit um sein Requisitenwägelchen herum, verteilt Seitenhiebe ans moderne Regietheater, sucht den Kontakt mit seinen ‚unfreiwilligen’ Zuschauern, holt sich hinterhältig die Lacher und den Applaus ab und bleibt dabei immer der kleine Handwerker, der vieles nicht kapiert. Aber ganz genau weiß: Ohne ihn und seinen zur rechten Zeit am rechten Ort platzierten Dolch und Sack wird keine Gilda sich herzzerreißend in den Tod singen. Unter Bieders grauem Kittel schlägt ein großes Herz für die Kunst. Klar: auch für seine entzückende junge Assistentin, die ihrs allerdings an einen von diesen jungen Schauspieler-Schnöseln verloren hat, die nicht mal mehr richtig sprechen können.
Schmidles nuschelige Minetti-„Faust“-Parodie hat zwar nicht ganz das Niveau seiner Sehnsucht nach Carmens „Unterlippen-Erotik“ und seines „Bajazzo“-Prologs. Dafür spielt er in seiner zärtlich-witzigen Revue den Mini-Kontrabass ebenso sympathisch wie das Kulissengeflüs­ter, die kabarettistische Flugbegegnung von Hamlet und Ramsauer beim isländischen Walkürenritt und die melancholische Landung auf dem russischen Ballett-Schwanensee (mit Lampenschirm statt Tütü und blassem Männerbein auf Socken statt Spitzentanz). Auf der von Franz Joseph liebevoll als Bühne ausgestatteten Bühne macht Josef Bieder einfach seine Arbeit, verrät dabei munter einige Geheimrezepte und schlüpft immer wieder in die Rollen, denen er als Requisiteur täglich dient.
Schmidle macht daraus eine bezaubernd heitere Sternstunde mit einem Hauch von Melancholie. Spielerisch auf der Bühne unterstützt wird er dabei von dem tapferen Beleuchter und Tontechniker Lutz (in Wirklichkeit der Inspizient Lutz Arkenberg), der Garderobiere Hilde (Kostüme und Requisite: Hilde Küster) und Roman Scherer als Kulissenschieber. Alle sind schließlich infiziert vom kleinen Glück der großen Illusion und den Brettern, die auch die Welt der Leute bedeuten, die normalerweise nicht im Rampenlicht stehen. Aber mit Herzblut nach den Sternen greifen, damit intelligente Unterhaltung so wie hier gelingt. Sollten sich auch die anschauen, die das Theater gern als überflüssigen Luxus betrachten und tot sparen möchten. Wegen des großen Erfolges beim Publikum musste das Kleine Theater bereits Zusatzvorstellungen aufs Programm setzen. E.E.-K.

Aufführungsdauer:
ca. 2 Std., eine Pause
Im Programm bis: 27.06.10

Dienstag, 15.02.2011

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