Barbara Strozzi - kultur 75 - April 2011

Komponistin und Liebeskünstlerin: Barbara Strozzi im Alten Malersaal

Die Musik der 1619 in Venedig geborenen Komponistin und Sängerin Barbara Strozzi kommt nicht vor in dem Musiktheater, das ihren Namen im Titel trägt. Das 2010 in Luzern uraufgeführte Stück feierte als deutsche Erstaufführung seine szenische Premiere im Alten Malersaal erst am 16.März, weil Probleme mit der Technik am eigentlich vorgesehenen Termin nur eine konzertante Vorstellung erlaubten.
Die optische Opulenz der Inszenierung von Jörg Behr ist freilich das tragende Element der Aufführung. Ausstatterin Karin Leuenberger hat hier ein staunenswertes Wunderwerk geschaffen. In einem roten Raum spaziert ein soignierter weißhaariger Herr an Bildern vorbei, die barocke Stillleben zitieren. Eine Frau im roten Kleid huscht in die Museumsszenerie, setzt zu einer Koloratur an und verschwindet wieder. Zwei jüngere Männer tauchen auf, die Gemälde beginnen per Videoanimation zu leben. Die Frau erscheint plötzlich als Bild in den Rahmen und als reale Gestalt, narrt die Betrachter, lässt sich umgarnen.
Die farbenreich flirrende Musik des Komponis­ten Georg Graewe tritt ein wenig zurück hinter der irritierenden Kunstwelt. Die Musiker des ­Beethovenorchesters unter der umsichtigen Leitung des ehemaligen Bonner Ersten Kapellmeisters Wolfgang Lischke bleiben unsichtbar verborgen hinter einer der roten Stellwände. Renatus Mészár (Bass), Christian Specht (Tenor) und Giorgos Kanaris (Bariton) aus dem Bonner Ensemble beweisen neben ihrer stimmlichen Potenz auch ihre schauspielerischen Fähigkeiten. Es gibt viel gesprochenen Text in mehreren Sprachen (die deutschen Übersetzungen werden eingeblendet) in dieser witzigen Mixtur aus Sprech- und Musiktheater.
Vorzüglich meistert die Sopranistin Stephanie Wüst die komplizierte Titelpartie mit ihren extremen Intervallsprüngen. Sie ist verführerisch in roter Corsage wie im schmalen schwarzen Hosenanzug und leicht bekleidet mit einem grünen Handtuch.
Sie spielt mit den Bildern, die die Männer sich von ihr machen. Barbara Strozzi, uneheliche Tochter einer Hausangestellten des angesehenen Gelehrten, Dichters und Librettisten Giulio Strozzi, war eine Art Glamour-Girl des Barock. Ihr vermutlicher Vater adoptierte sie und sorgte für ihre umfassende Ausbildung. Sie war eine hochbegabte Musikerin, aber auch Mittelpunkt literarischer und philosophischer Salons, Muse und begehrte Kurtisane. Außerdem alleinerziehende Mutter von vier Kindern und höchst geschickt in Geldgeschäften. „Ich bin bekennend geldgeil“, schreibt sie provozierend auf eine Tafel. Ihre Kompositionen galten als so sinnlich, dass jungen Damen von Stand vom Singen ihrer Lieder abgeraten wurde.
Graewes Theater zitiert historische Dokumente, schildert aber nicht ihre Biografie, sondern macht sie zu einer exemplarischen Figur, die die Waffen der Kunst ebenso beherrscht wie die Amors. Zwischen die Spielszenen mischen sich Videos, in denen die drei Sänger sich in Barockkostümen mit der bezaubernden Dame vergnügen, die sich ihnen immer wieder entzieht.
Dass sich sogar Kreditkarten besingen lassen, gehört zu den amüsanten Details des musikalisch eher leichtgewichtigen Werkes, das spielerisch die Welt der Barbara Strozzi erforscht, dabei Parallelen zur Gegenwart zieht und die Wahrnehmung in Frage stellt. Die intelligente Inszenierung macht Spaß und ist ein gelungenes Beispiel dafür, dass das experimentelle Musiktheater in der Reihe „Bonn Chance“ keineswegs abstrakt und sperrig sein muss. E.E.-K.

Donnerstag, 08.12.2011

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