Und dann, tausend Jahre Frieden - kultur 85 - April 2012

Und dann, tausend Jahre Frieden Gastspiel des Ballet Preljocaj in der Oper – Apokalyptischer Sturm mit Weltfriedensvision

Sie haben durchaus den Mut zum Pathos in ihrem großartigen Tanzstück Und dann, tausend Jahre Frieden. Der französische Choreograph Angelin Preljocaj hat das Werk mit seiner weltbekannten Truppe zur Wiedereröffnung des Moskauer ­Bolshoi Theaters 2010 geschaffen und dabei eine bildmächtige Tanz-Vision vom Ende der Zeit und vom friedlichen Neubeginn entworfen.
Die Offenbarung des Johannes, die letzte große Prophetie des Neuen Testaments, liefert die Motive zu dieser körperlichen Exegese des Schreckens. Alle Ängste und Hoffnungen bringen sie ungeheuer dynamisch auf die Bühne, die der indische Künstler Suboth Gupta effektvoll ausgestaltet hat. Assoziationen zu den apokalyptischen Reitern, der babylonischen Hure, menschlichen Chimären, zornigen Engeln, Massenritualen und zum Buch mit sieben Siegeln tauchen auf zur stampfenden Techno-Musik von Laurent Garnier, in die sich Beethovens „Mondscheinsonate“ mischt. Die 21 brillanten Tänzerinnen und Tänzer, denen offenbar keine noch so exzentrische Bewegung zu schwierig ist, beherrschen mit rasantem Tempo die ständig wechselnde Szenerie und entwi­ckeln aus organisch fließenden Momenten, bizarren Sprüngen und rauschhaften Drehungen in 100 pausenlosen Minuten eine mitreißende Dramatik. Auch wenn die Flut der Bilder und der lauten rhythmischen Klänge irgendwann ermüdend wirkt.
Gegen Ende rasseln schwere Ketten aus dem Schnürboden herab. Aber die Erlösung aus dem destruktiven Taumel naht. In transparente Plastikfolie gehüllt, fliegen die Tänzer durch den Raum. Die Nationalflaggen werden gewaschen und so ausgeklopft, dass riesige Bögen aus glitzernden Wassertropfen entstehen. Zwei lebendige Lämmer blöken friedlich in die Runde, die endlich zur Ruhe gekommen ist. Eine friedliche Zeit ist noch möglich nach all den verstörenden Untergangsphantasien. Einiges schrammt furchtlos am Kitsch vorbei in dieser fabelhaften Tanztheater-Show, die niemanden kalt ließ. Eine Weltklasse-Produktion! Fand auch das Bonner Publikum, das das Opernhaus zwei Mal fast komplett füllte. E.E.-K.

Donnerstag, 11.10.2012

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