Der Teufel - kultur 84 - März 2012

Der Teufel von Fjodor Dostojewski im Theater im Ballsaal
Rendezvous mit dem versucher

Iwan, der intellektuelle mittlere der Karamasov-Brüder, ist krank. Er halluziniert im Fieberwahn ein Wesen, das ihm plötzlich ganz real auf dem Sofa gegenübersitzt und eine unabhängige Existenz behauptet. Er ist einfach da und lässt sich nicht wegkomplimentieren, dieser seltsame Gast mit seiner leicht angestaubten Eleganz und seinem irritierenden Humor. Im 9. Kapitel des 11. Buches seines Romans Die Brüder Karamasow schildert Dostojewski Iwans Begegnung mit dem spitzfindigen Individuum, das völlig logisch das Böse aus dem Guten ableitet und (oder umgekehrt) eine negative Theologie entwickelt.
Frank Heuel, Chef des Bonner Fringe-Ensembles, hat diesen Mono-Dialog im Theater im Ballsaal als Zerfall einer Persönlichkeit inszeniert und gleichzeitig als Denk-Traumspiel über die gegenseitige Bedingtheit von Gott und Satan, Freiheit und Befangenheit. Er hat dafür einen grandiosen Schauspieler: David Fischer, der sich mit gespielter Schüchternheit quasi privat vorstellt, bevor er in den komplexen Text eintaucht, in der teuflisch vertrackten Konversation körperlich virtuos die Seiten wechselt. Aus den bis zur Albernheit betont unterschiedlichen Gängen zwischen Iwans Sessel und dem Sofa des Fremdlings wird ein grotesker Todestanz mit immer schnelleren Bewegungen zwischen Setzung und Gegensatz. Eine kompromisslose philosophische Parodie der Dialektik, die die Aporien des Glaubens als Welt-Schmierentheater entlarvt. Mit aufgeblasenen Flügeln rennt Fischer mit Federkranz auf dem Kopf als gefallener Engel durch den Raum (Ausstattung: Annika Ley) und gegen die Frage an, ob er selbst der Andere ist oder außer sich durch die Anwesenheit des Anderen. Seine Stimme verdoppelt sich per Tonschleife, an seinem fiebrig überhitzten Leib hängt ein großer Eisblock, den er schließlich mit einem Beil zerhackt (in der ersten Zuschauerreihe kriegt man ein paar Splitter von der Aktion mit), um sich von der verdammten Vision zu befreien.
Den musikalischen Kommentar zum bösen Spiel hat Matthias Höhn komponiert und spielt live mit. Der Vorhang wird aber erst am Ende hochgezogen: Da sitzt ein alter Russe und tut so, als ob er Gott wäre. Was natürlich auch nicht wahr ist in diesem verteufelt geistreichen, sehr körperlichen Spiel mit der Kälte der Einsicht und der brennenden Suche nach der Differenz zwischen Falsch und Richtig.
Sollte es jemals einen Preis für die beste schauspielerische Leistung in der Bonner freien Theaterszene geben: David Fischer hätte für „Der Teufel“ einen Spitzenplatz verdient. E.E.-K.

******
Spieldauer ca. 1 Stunde, keine Pause.
Voraussichtlich im April wieder auf dem Spielplan

Dienstag, 09.10.2012

Zurück

Merkliste

Veranstaltung

Momentan befinden sich keine Einträge in Ihrer Merkliste.


Letzte Aktualisierung: 16.04.2024 20:01 Uhr     © 2024 Theatergemeinde BONN | Bonner Talweg 10 | 53113 Bonn