Prix Pantheon 2009 - kultur 58 - Juni/Juli 2009

Prix Pantheon 2009: Ehrenpreisträger Dieter Hallervorden / Kabarett-Nachwuchswettbewerb

Aufziehende Wolken und kühler Wind konnten der guten Stimmung bei der Prix-Pantheon-Gala am 26.05. mit über 1600 Gästen im großen Zelt auf dem Museumsplatz nichts anhaben: Von Rainer Pause und der amerikanischen Wahlberlinerin und Entertainerin Gayle Tufts großartig mit Musikeinlagen moderiert, bot die Gala noch einmal Ausschnitte aus den Auftritten der diesjährigen Prix-Pantheon-Kandidaten. Die Gewinner der am 29.04. verliehenen Preise (Jury- und Publikumspreis) kamen noch einmal zu Wort und wurden erneut geehrt. Zudem wurde der Gewinner des Fernsehpreises bekanntgegeben, der nach den Ausstrahlungen der Wettbewerbstage im WDR-Fernsehen via Internetabstimmung bestimmt worden war. Und all dies eingebettet in eine gelungene Bühnenshow, in der auch bekannte Kabarett- und Comedy-Größen wie Bodo Wartke (großartig trotz frisch gebrochenem Fuß!), Florian Schroeder, Dr. Eckart von Hirschhausen und Johann König mit Kurzauftritten dem Bühnennachwuchs, dem Publikum sowie dem Pantheon, das nun zum 15. Mal einen spannenden und für die Kabarett­szene höchst bedeutsamen Wettbewerb ausrichtete, die Ehre erwiesen. Aber nun schön der Reihe nach...
Die Prix-Pantheon Jury wählt jedes Jahr im Vorfeld des Kleinkunst-Nachwuchswettbewerbs einen Sonderpreisträger in der Kategorie Reif und Bekloppt, der sich schon lange bewährt und bewiesen hat und mit seinem Wirken auch als Vorbild die Satireszene nachhaltig prägt. Die diesjährige 12-köpfige Jury (zwei Schauspielerinnen, ein Regisseur, ein Autor sowie Vertreter des Hörfunks, der Presse und des Fernsehens) entschieden sich für den Kabarettisten und Schauspieler Dieter Hallervorden (*1935 in Dessau). 1960 gründete Hallervorden das Kabarett-Theater Die Wühlmäuse in Berlin, das er bis heute leitet. Zudem hat er kürzlich das Berliner Schlosspark Theater übernommen. Dem Fernsehpublikum wurde er vor allem als Meister des Slapsticks mit Hallervordens Spott-Light, Nonstop Nonsense und der Didi-Show bekannt. In einer Galavorstellung am 27.04. im Pantheon präsentierte er gemeinsam mit seinem Bühnenpartner Harald Effenberg sein Programm Stationen eines Komödianten, eine Auswahl der bes­ten Szenen und Sketche aus fünf Jahrzehnten. Beeindruckend war Hallervordens unermüdliche Freude am „Spielen“ als Darsteller in vielen Rollen und Szenen, mit zahlreichen zu kleinen Bühnenbildern zusammengestellten Requisiten. Das Themenspektrum reichte von Alltags­szenen (natürlich durfte eine Kaufladenszene mit dem berühmt gewordenen Klingeln „palim palim“ nicht fehlen, ebensowenig der legendäre Tod der Kuh Elsa) bis zu pointierter Kritik am politischen Geschehen und gesellschaftlichen Entwi­cklungen, z.B. Hallervordens „Nachrichten für Gastarbeiter“ mit Bildern und Gesten oder seine Kritik an den französischen Atomtests auf dem Mururoa-Atoll. Hausherr Rainer Pause ehrte Hallervorden mit dem mit 4.000 e dotierten Preis. Dieser verabschiedete sich mit der hoffnungsvollen Aussicht „Ich gehe nicht auf’s Abstellgleis, bleibe euer Jubelgreis und mache weiter: meinen Beruf.“

Am 28. und 29.04. fand der in 20-minütigen Auftritten ausgetragene „Wettkampf" zwischen zwölf von der Jury nominierten Kandidaten, vielversprechenden Newcomern der Kleinkunst­szene, um den jeweils mit 3.000 e dotierten Jurypreis Frühreif und Verdorben und den durch geheime Wahl bestimmten Publikumspreis Beklatscht und Ausgebuht, statt.
Gewinnerin des Jurypreises wurde die Stand-up-Komikerin und Musikerin Claudia Wipfler (*1965 in Lübeck) alias Cloozy. Bei einem Aufenthalt­ in New York entdeckte die studierte Trickfilmerin auf den dortigen Stand-up-Bühnen ihr komödiantisches Talent und ließ sich in Improvisationstheater ausbilden. Seit 2007 tritt sie in Berlin als Kabarettis­tin auf. Im Pantheon schlüpfte sie in die Rolle ihrer Bühnenfigur Helga Raspel, einer vom Chef hochgeschätzten Vorstandssekretärin. Raspel plaudert, an ihrer Perlenkette zwirbelnd, aus ihrem Büroalltag: Die fehlende Kommunikation in Folge des Stellenabbaus versucht sie, mit dem Auslochen der Augen aus ihrem Pferdekalender zu bekämpfen, leidet unter dem „post-maschinellen Syndrom“ aufgrund zu häufiger Faxsendungen (Möbelbestellungen für den Chef!) und kämpft gegen die Tücken von Excel. Besonders originell: Helga Raspels Nachruf an aussterbende Geräte der Bürokommunikation, darunter das Modem, dessen lautstarke Einwahlmelodie ins Internet sie perfekt auf der Geige imitiert!
Der diesjährige Publikumspreis ging an den Kabarettisten und Comedian Dave Davis (*1973 in Köln). Davis’ Bühnenfigur ist Motombo Umbokko, tätig als Klomann bei McDonalds, wo er die Besucher des stillen Örtchens, einen Querschnitt durch die Gesellschaft, scharfsinnig beobachtet. Bei seinen Kollegen ist er als gute Seele beliebt und seine Arbeit macht ihm nichts aus („stinkt, aber macht Spaß“), besonders angesichts der Alternative „Hass 4“, deren Opfer mit offenen Pulsadern er auch schon erleben musste („zwei offene Stellen, aber tot!“). Im Verlauf des Auftritts wurde deutlich, dass Davis, obwohl er Motombo sehr glaubwürdig und mit Anek­doten aus der afrikanischen „Heimat“ gewürzt verkörpert, selbst doch bestens integriert, ein Meister der Sprachspiele und deutschen Dialekte ist, wie er anhand der Schilderung seiner Reise durch die Bundesrepublik auf Jobsuche z.B. mit perfektem bayrischen und kölschem Klang verdeutlicht. Davis’ Vater kam zum Studium von Uganda nach Bonn, die Familie bekam den Asylantenstatus und blieb, eingebürgert wurde Davis mit 18 Jahren. In Bonn wird Davis künftig häufiger zu erleben sein: Er ist Mitglied des neugegründeten Pantheon-Ensembles. Bestätigung, dass nicht nur regional die Herzen des Publikums für ihn schlagen, erhielt er im Rahmen der Prix-Pantheon-Gala: Davis gewann zusätzlich den ebenfalls mit 3.000 e dotierten TV-Publikumspreis!
Auch von den zehn weiteren Kandidaten der „German Spaß- und Satire-Open“ wird man in nächster Zeit noch öfter zu hören und zu sehen bekommen, handelt es sich doch um aussichtsreiche Nachwuchstalente, für die die Nominierung bereits eine bedeutende Auszeichnung ist.
Die professionelle Akkordeonspielerin und Tangotänzerin Carmela de Feo (*1973 in Oberhausen als Tochter emigrierter Italiener) bot eine Fülle von Kurzpassagen aus ihren temperamentvollen und originellen Coverversionen, mit ihrem „Oberhausen“-Song, Cover des Ketchup-Songs, als krönendem Abschluss. Keinen Hehl macht sie aus ihrer Heimat, dem Ruhrgebiet, dessen DIalekt sie als zweite Muttersprache beherrscht und in frechen Dialogen mit dem Publikum zum Klingen bringen lässt.
Serhat Dogan (*1974) ist zwar gebürtiger Kölner, verbrachte jedoch seine Schul- und Studienzeit (Sport) in der Türkei, bevor er 2005 nach Deutschland kam und seither als Comedian seine Beobachtungen der interkulturellen Unterschiede zum?Ausdruck bringt. Highlight seines Auftritts:?die Demontration des typischen Verhaltens türkischer Männer beim Diskobesuch!
Nepo Fitz (*1981 in Eggenfelden als Sohn von Lisa Fitz) bietet originelles Musikkabarett, wobei er sich am Flügel begleitet und von seiner schweren Jugend in Niederbayern und heutigen Ärgernissen des Alltags berichtet. Dazwischen fetziger Rock ’n’ Roll zum Abreagieren. Das Talent liegt in der Familie!
Britta Weyers (*1973), Anja Schmid und Barbara Gescher sind die Girl-Group Fönfieber, derzeit unterwegs als Bond-Girls, wobei sie mit Haushaltsgeräten als getarnten Waffen agieren und bekannten Bond-Songs eine ganz persönliche Note geben.
Katinka Buddenkotte (*1976 in Münster) fand als Vorleserin, freie Autorin, Poetry-Slamerin und Kolumnistin den Weg auf die Bühne. Highlight ihres Auftritts:?ihr dramatisch-melancholisch-ironischer selbstverfasster Text eines „französischen Autorenfilms“.
Volker Strübing (*1971 in Thüringen) stammt ebenfalls aus der Sparte der Poetry-Slamer. Er las einige seiner Kurzgeschichten zum Alltag der jüngeren Generation: Höchst umsetzenswert z.B. seine Ideen zu einem Café für Schwangere!
Oliver Polak (*1976) wuchs als Kind jüdischer Eltern im norddeutschen Papenburg auf.

Montag, 29.10.2012

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