Die letzte Tour - kultur 74 - März 2011

Erstes Deutsches Zwangsensemble im Haus der Springmaus (6.02.11)

Philipp Weber (*1974 in Miltenberg, Unterfranken), Claus von Wagner (*1977 in München) und Mathias Tretter (*1972 in Würzburg) haben sich im Jahr 2004 auf Wunsch ihrer gemeinsamen Agentin zu einer Kabarett-Task-Force zusammengeschlossen, um gemeinsam Ausschnitte aus ihren ersten Soloprogrammen zu präsentieren. Dies erwies sich als Erfolgsrezept: Im Jahr 2007 wurden sie mit dem renommierten Kabarettpreis Salzburger Stier ausgezeichnet. Inzwischen sind Weber, Tretter und von Wagner erfolgreiche Solo-Kabarettisten und haben den Spieß umgedreht: Aufgabe ihrer Agentin ist es, die Terminkalender auch mit regelmäßigen Auftritten zu dritt zu füllen. Die Programme sind keine Solo-Nummern mehr, sondern von den drei Künstlern gemeinsam geschrieben: szenisches Kabarett mit Nummern für zwei oder drei Darsteller. Sie haben einen eigenen Stil politischen Kabaretts entwickelt: mit versteckter, teils böser Ironie, einfach umwerfend komisch durch treffende Vergleiche, auf die außer ihnen wohl niemand kommt. Mit genialem Beobachtungsvermögen nehmen sie die Bundespolitik unter die Lupe.
So muss sich die Kanzlerin (von Wagner mit Topf-Frisur-Perücke und kräftiggelbem Blazer mit drei Knöpfen) als oberste Sozialarbeiterin im Gefängnis beweisen. Resozialisierung eines korrupten Bankmanagers und eines FDP-orientierten Unternehmensberaters – aussichtslos, nicht zuletzt weil plötzlich das Gefängnis privatisiert und Angela gefeuert wird.
Reich ist die Auswahl an Zutaten für ein kritisch-komisches Gesellschaftsporträt. Muss man heutzutage dankbar sein, wenn das Steak nur noch zu 50% aus Fleisch besteht, da dann ja weniger Umweltgifte enthalten sind?
Und was macht man als Verleger, wenn der Autor Jesus Christus ständig anruft, um über sein ungebeten eingereichtes Manuskript, ein völlig überdimensioniertes Werk, zu sprechen? Bestenfalls sei es in der Sparte Frauenbuch anzusiedeln: „Für alle, die mühselig sind und beladen...“ Moses’ Ratgeber Recht mit 600 Geboten habe man immerhin auf die Top Ten reduzieren können.
Ihrer süddeutschen Heimat tragen die drei als autonome schwäbische Buddhistengruppe Rechnung. Ihre Motive sind gesundheitlicher Natur: Die Kasse zahle Meditationskurse ja nicht mehr. Und wenn Geld in die Vereinskasse kommen solle, könne man auch schon mal beim Spanferkelgrillen Umsatz machen: „Ich bin Buddhist, aber ich bin auch Metzger.“
Eine der witzigsten Szenen spielt in drei Toiletten des Bundestages. Ein Praktikant (von Wagner) braucht dringend Toilettenpapier, doch die Herren zur Rechten und Linken, alteingesessene Abgeordnete, denken nicht daran, ihm aus der misslichen Lage zu helfen. Fazit des Aufgeschmissenen nach vergeblichen Versuchen des Bittens und Austrick­sens: „Wählen ist wie aufs Klo gehen: Die Sch(...) bleibt am Bürger hängen...“
Zum Schluss ein genialer Tipp für alle Bahnreisenden, die von „Business-Hörnchen“ („Black­berry in der Hand wie das Eichhörnchen die erste Nuss nach einem langen Winter“) genervt sind: Einfach alles, was ins Telefon gesprochen wird, laut wiederholen!
Und keine Angst: „Die letzte Tour“ steht nicht für die letzte gemeinsame Tournee, eher für Bemerkenswertes von der letzten Spritztour mit vielen kuriosen Stationen. J.S.

Donnerstag, 01.12.2011

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