Du bist meine Mutter - kultur 75 - April 2011

Mutter-Sohn-Geschichte
Du bist meine Mutter
in der Pathologie

Sie hat ihn nie losgelassen, obwohl sie an seinem Leben kaum teilnimmt. Er liebt sie anhänglich, obwohl es eine traurige Pflicht geworden ist. Nein, die allsonntäglichen Besuche des erwachsenen Sohnes bei seiner alten Mutter im Pflegeheim bedeuten ihm etwas. Ihr auch, obwohl sie ihren Sohn manchmal für einen Fremden hält. Er zieht sie hübsch an, fährt sie im Rollstuhl spazieren, redet mit ihr. Sie kann Gegenwart und Vergangenheit nicht mehr unterscheiden, weiß nicht mehr, wer von ihrer Verwandtschaft noch lebt. Sie hat genug vom Leben, das nur noch bruchstückhaft durch ihre Erinnerungen geistert.
Der niederländische Schauspieler und Autor Joop Admiraal (1937 – 2006) wurde international bekannt mit seinem 1981 uraufgeführten Ein-Personen-Stück Du bist meine Mutter. Es ist eine sensib­le Auseinandersetzung mit der Altersdemenz und eine im Grunde ganz normale Mutter-Sohn-Geschichte. Christoph Pfeiffer hat das Drama im Theater „Die Pathologie“ auch als ganz persönliche Hommage an seine eigene Mutter inszeniert, die Schauspielerin Luise Prasser, die 2009 im Alter von 90 Jahren demenzkrank in einem Wiener Pflegeheim starb. Bis 1999 hatte sie noch auf der Bühne gestanden. 1998 wirkte sie am Theater Bonn mit in David Mouchtar-Samorais Inszenierung von Turgenjews Ein Monat auf dem Lande. Kleine Hinweise aufs Theater lässt Pfeiffer deshalb anklingen, deklariert z.B. die imaginären Zuschauer im Park zum Publikum, für das die Mutter einst spielte.
Guido Grollmann verkörpert den 45-jährigen Sohn, der sich geduldig auf die hilflose alte Frau einlässt, die sein Leben früher dominierte. Ganz sacht schlüpft er in ihre Rolle, setzt ihr Sonntags-Ausgeh-Hütchen auf, kichert und quengelt, spricht mütterlich streng wie zu einem Kind und ist dann wieder die gebrechliche, selbst zum Kind gewordene Greisin. Als Mutter redet er bodenständig mit Ruhrpott-Akzent, als Sohn versucht er darauf einzugehen – immer unsicher, ob sie seine Worte begreift. Gelegentlich leuchtet etwas Schelmisches in ihrem fahrigen Blick auf, als ob sie ihre Verwirrtheit durchschaute und damit nur spielte. Das ist manchmal sehr komisch, oft bitter und enervierend, aber doch voller Zärtlichkeit und Humor. Grollmann spielt den intimen Mono-Dialog beeindruckend intensiv.
Möglicherweise hat der Sohn die verstorbene Mutter auch nur herbei fantasiert. Auf jeden Fall hat er ein Stück „über uns“ geschrieben. Über sie und sich. „Darin gibt es eine Schluss-Szene, in der du sagst, dass du nicht mehr leben willst. Das ist nicht so einfach: Du lebst immer noch!“ Zumindest auf der Bühne. E.E.-K.

Aufführungsdauer: ca. 70 Min., keine Pause
Im Programm bis: ?????

Donnerstag, 08.12.2011

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