Ode to the Man who Kneels - kultur 74 - März 2011

Bizarrer Western – Ode to the Man who Kneels im Alten Malersaal

Einer steht, einer kniet. „Say your prayers“, sagt der stehende Mann mit dem Finger am Abzug einer imaginären Pistole. Eine Szene, wie wir sie aus Westernfilmen kennen. Doch der kniende Mann in Todesangst hält einen langen Monolog über sein Dasein als Schauspieler, die Gefühle, die er spielt, und die verpassten Gelegenheiten im Leben. Merkwürdige Bilder von einem Höhlenlabyrinth mit augenlosen Albino-Fischen mischen sich in die Rede.
Richard Maxwell erzählt in seinem 2007 mit seinen New York City Players in der Schweiz uraufgeführten Stück Ode to the Man who Kneels eine archetypische Geschichte mit den Stereotypen des wilden Westens. Oft werfen die Figuren im Licht des von Hand aus der ersten Reihe bedienten schlichten Projektors riesige Schatten auf die Leinwand im Hintergrund (Bühne und Licht: Sascha van Riel). „We don’t become older“ singen auch die Toten mit, und davon gibt es etliche in der merkwürdigen Country-Ballade, zu der Autor, Regisseur und Komponist Maxwell an der Gitarre und Mike Iveson am Klavier live den melancholischen Sound liefern. Der stehende Mann (Jim Fletcher) zieht nach dem Mord an dem knienden Mann (Greg Mehrten) weiter. Er erschießt den gutaussehenden Mann (Brian Mendes), den Liebhaber der wartenden Frau (die deutschstämmige Anna Kohler). An dieser zieht das Leben mit dem stehenden Mann ebenso vorbei wie die früheren Jahre, bis sie einfach wegstirbt und das Feld der jungen Waise Juny (kurzfristig eingesprungen: Anas­tasia Gubareva aus dem Bonner Schauspiel-Ensemble) überlässt. Das Mädchen will Land und einen Mann. Doch die einst vom stehenden Mann bestellten Krieger tauchen plötzlich wie apokalyptische Reiter auf und nehmen Juny mit. Der einsame „frozen“ Cowboy erwartet in der gnadenlosen Prärie das unausweichliche Ende. „Endure, dear, endure“ schmettern alle. Die Szenenanweisungen werden mit gesprochen, die Akteure fungieren gelegentlich wie der Chor in einer antiken Tragödie. Keiner entgeht seinem Schicksal in diesem kleinen Universum, das stets zwischen intellektueller Theatermetapher und poetischer Realität schillert.
Das künstlich kunstlose, antipsychologische Spiel mit den amerikanischen Mythen und existenzphilosophischen Bruchstücken erhielt nach ca. 70 Minuten entspannten Beifall.

Donnerstag, 17.11.2011

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