Rose und Walsh - kultur 74 - März 2011

Unsterbliche Liebe – Rose und Walsh im Euro Theater Central

Rose lebt standesgemäß und folglich entschieden jenseits ihrer finanziellen Verhältnisse. Klar: Eine Frau wird beurteilt nach den Kleidern, die sie kauft, und nicht nach denen, die sie trägt. Brillante Bonmots hat die einst sehr erfolgreiche Dramatikerin Rose Steiner (zweifache Pulitzer-Preisträgerin!) immer noch auf der Zunge, selbst wenn ihr das Schreiben nicht mehr so leicht von der Hand geht. Gern nutzt sie ihren hellwachen Geist für Gespräche mit ihrem langjährigen Geliebten, dem ebenso erfolgreichen Krimi-Autor Walsh McLaren, der sie regelmäßig besucht. Leider ist er seit fünf Jahren tot und kündigt an, sie in zwei Wochen für immer zu verlassen. Das Intermezzo vor der ewigen Ruhe ist also Rose’s Dilemma – Originaltitel des 2003 uraufgeführten Stückes des Amerikaners Neil Simon (*1927), der zu den produktivsten und weltweit meistgespielten Komödienautoren gehört.
Im Euro Theater Central holt Regisseur Peter Tömöry (mehr als zwanzigmal hat er hier inszeniert) Simons Rose und Walsh vom boulevardesken „well-made-play“ in einen surrealen Zwischenraum aus purer Fantasie und feingesponnenem psychologischem Realismus. Für eine traumhafte Atmosphäre sorgt dabei das irrwitzig altmeisterlich auf transparente Fliegenfolien gemalte Bühnenbild von Ausstatterin Melinda Lörincz, das wunderbar verrückte räumliche Perspektivwechsel ermöglicht. Als Bild im Spiegelrahmen erscheint Walsh genauso wirklich wie Roses Hände, die nach seinen tasten. Franz-Jürgen Zigelski gelingt das Kunststück, als nobler älterer Herr, der seinen roten Bademantel wie eine Königsrobe trägt, immer völlig präsent zu sein und gleichzeitig abwesend. Ein konkretes Abschiedsangebot hat Walsh als versierter Schriftsteller zudem: Einen unvollendeten Roman, mit dem Rose ihr marodes Bankkonto sanieren könnte.
Rose trägt gern raffiniertes Schwarz unter einem Morgenmantel aus bunter Seide, wenn Walsh zur Nacht auftaucht. Rose ist unverschämt attraktiv, verdammt intelligent und eine Paraderolle für die großartige Helga Bakowski, die ihr fabelhaft genau diesen Kick ins Gespenstische verleiht, mit dem die alte Dame spielerisch ihre Jahre überspringt. Sie kokettiert mit dem Alter, ist rührend zerbrechlich in ihrer Angst vor dem Verlust des Geliebten und des nur noch imaginierten Lebens und bissig souverän im Umgang mit Leuten, die nicht zu ihrer literarischen Welt gehören. Ganz zart tanzt sie sich hinüber in den Himmel ihrer großen Liebe und ist danach so quietschlebendig wie zuvor.
Denn es gibt noch sehr irdisch was abzurechnen. Das Faktotum Arlene (sensibel zwischen tapferem Verständnis und unterdrücktem Eigenwillen: Doris Lehner) zum Beispiel, das von der erfolgreichen Drehbuchschreiberin zum Objekt mütterlicher Liebesverweigerung mutierte. Dass sie sich in den reichlich erfolglosen Schriftsteller Clancy verknallt, der als Ghostwriter Walshs posthumes Werk zum lukrativen Bestseller machen soll, gehört zur Komödienkonvention. Hanno Dinger gibt mit unverschämtem Charme den Prolltypen, der in die feinsinnige Literaturwelt einer Rose ungefähr so passt wie Flaschenbier zum gepflegten Afternoon-Tea. Der junge Mann hat freilich Talent und einen Sinn für gut geschriebene Geschichten. Über die Urheberrechte darf das alte Paar sich ewig streiten. So heiter ironisch wie auf der Bühne ihres Lebens. Im Euro Theater hat’s das Zeug zum Bestseller. E.E.-K.

Aufführungsdauer:
ca. 70 Min., keine Pause
Im Programm bis: ??????

Donnerstag, 17.11.2011

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