Upon Reaching the Sun - kultur 56 - April 2009

...und wie es zur Sonn gangen, war’s ein verwelkt Sonneblum. - Upon Reaching the Sun - Gastspiel der Kibbutz Contemporary Dance Company in der Oper

Wem der Titel des Abends nichts sagt und wer wissen will, wovon das Stück handelt, der schlägt im Programmheft nach. Dort findet sich der Verweis auf Georg Büchners Woyzeck. Diese angekündigte Programmatik ist gut gemeint aber zugleich auch fatal: Zum einen weckt es Erwartungen auf eine Geschichte, oder zumindest aber einen konzeptionellen Bezug darauf – zum anderen stößt es den Betrachter aber auch auf die Spur des Eklektischen.
Das Erste suchten sicherlich viele Zuschauer vergeblich – das Zweite störte die meisten Besucher des ausverkauften Bonner Opernhauses nicht. Begeistert feierte das Publikum eine effektvoll dargebotene Vorstellung. Effektvoll in mehrfacher Hinsicht: Auf leerer Bühne verwoben sich TänzerInnen, Requisiten, Masken, ein aufwändiges Licht-Design und die collagierten Musikpassagen zu einem farbenfrohen, vielfach kaleidoskopisch wechselnden Vexierbild.
Dabei setzt Rami Be’er nicht vordergründig auf eine akrobatisch anspruchsvolle Körpersprache der Extreme. Klassik, Neoklassik meidet er weitgehend, ebenso wie die Abstraktionen einer Bewegungs-Performance. In Upon reaching the sun schöpft Rami Be’er aus der Tradition des Ausdruckstanzes. Man fühlt sich bisweilen an Mary Wigman oder Gret Palucca erinnert, wenngleich Rami Be’er seinen Stil in einer Adaption findet. Das Wechselspiel von Spannung und Entspannung, das Pendeln der Arme und des Oberkörpers zwischen kraftvollen Posen und erschlaffendem Körper, werden zu den den Abend bestimmenden Elementen. Dies geschieht nicht statuarisch, sondern in bewegten choreografischen Arrangements und unterschiedlichen Besetzungen. Trotz des großen Ensembles stellt sich eine Einheit nicht über die synchrone Gruppenchoreografie, sondern über die gelegentliche Verwechsel- und Austauschbarkeit des Einzelnen her. Dabei bleiben die Gesichter meist starr und unbeweglich, ohne abwesend zu wirken, sie wirken vielmehr suchend. Auch wird selten eine choreografische Spannung aus der Anziehung der Geschlechter gesucht. Rami Be’ers Figuren sind eher Wesen als Individuen. Im Wechselspiel der Szenen setzt der Choreograf und Bühnendesigner auf beeindruckende Bilder und Effekte, deren Zusammenhang sich nicht immer erschließt und wohl auch nur mit Mühe mit Büchners Woyzeck in Verbindung zu bringen ist. Aber dessen ungeachtet führt dies weder zu Irritationen noch Langeweile. Der Abend bleibt anregend, unterhaltsam, überraschend, bisweilen faszinierend.
Vielleicht ist die große, choreografisch umgesetzte Konzeption ja auch gar nicht gewollt? Vielleicht ist das Kaleidoskop des Eklektizismus das Firmament, indem sowohl die Figuren des Stückes als auch die Zuschauer die Gestirne suchen müssen, denen sie folgen wollen?
Wie auch immer – dem Publikum in Bonn war es den großen Jubel am Ende allemal wert und nach dem nunmehr siebenten Gastspiel wird niemand mehr die kluge Auswahl und den Erfolg dieser Leistungsschau des internationalen Tanzes ignorieren können. Gut so. Bitte mehr! HE

Samstag, 02.01.2010

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