Der Felsenjunge - kultur 53 - Januar 2009

Musikalisches Flüchtlingsdrama - Der Felsenjunge von Camille van Lunen im Alten Malersaal

In maltesischen Schulklassen scheint’s – abgesehen von den der langen Zugehörigkeit der Republik zum britischen Weltreich geschuldeten Schuluniformen – nicht viel anders zuzugehen als in deutschen. Über die Mittelmeerinsel Malta kann man eine ganze Menge erfahren, wenn man etwas früher zur Vorstellung von Der Felsenjunge und dem Unterricht zweier Lehrerinnen (die eine reichlich zickig, die andere aus der Flower-Power-Zeit übrig geblieben) und eines skurrilen Naturwissenschaftlers aufmerksam folgt. Der Regisseur Mark Daniel Hirsch hat die Kinderoper Der Felsenjunge von der in Köln lebenden niederländischen Komponistin Camille van Lunen eingebettet in eine Rahmenhandlung, die das Stück dicht heranholt an die Erfahrungswelt der jugendlichen Zuschauer. Es ist hier also ein Spiel im Spiel unter der Leitung des sympathischen Paters Tony. Die Tische und Stühle des Klassenzimmers (Bühne: Uta Heiseke) verwandeln sich in Strand, Felsen, Höhlen und das Haus von Onkel Tumas (darstellerisch glänzend: Dominik Söns) und Tante Anna (stimmlich tadellos: Kris­tina Köhl, die in anderen Vorstellungen auch die Hauptrolle singt), wo Josephine, genannt Jo, ihre Ferien verbringt.
Aus Jos Perspektive (bei der Premiere hervorragend gesungen von Kristina Fedotova) wird die Geschichte erzählt. Das äußerlich burschikose, aber im Grunde sehr sensible Mädchen freundet sich mit dem kleinen Touristenjungen Andreas (Andreas Theobald) an. Allerhand Hänseleien von Schwestern und Brüdern bleiben nicht aus. Da mischen sich schrille Flö­tentöne, temperamentvolle Gitarren und kräftiges Schlagwerk mit sanften Streicherklängen. Die musikalische Leiterin Sibylle Wagner dirigiert das überwiegend aus Musikschülern bestehende „Orchester der Jungen Oper Bonn“ energisch durch die anspruchsvolle Partitur. Sehr präzise agiert auch der große Chor unter der Leitung von Ekaterina Klewitz. Im flotten Wechsel sind die jungen Sänger mal die maltesischen Schulkinder, mal die kecken Urlaubersprösslinge und witzig verkleidet (Kostüme: Dieter Hauber) auch die erwachsenen Gäste eines Familienfestes. Ein Sonderlob unter den vielen jungen Solisten verdienen die kecken Schwestern Nadja (Alma Gentile), Miriam (Kim Emde) und Carmen (Sophia Linden).
Irgendwann taucht am Strand ein fremder Junge (Arnold Trautwein) auf. Bedrohliches Hubschrauberdröhnen hat zuvor schon klar gemacht, dass das Ferienparadies nicht nur eine Idylle ist. Jo ahnt sofort, dass der stumme, verstörte Junge ein Flüchtling ist, dem die Abschiebung droht. Gemeinsam mit Andreas versorgt sie ihn. In einer sehr anrührenden Szene entlocken die Kinder ihm schließlich seinen Namen Artan und die traurige Geschichte seiner Flucht, bei der sein Bruder Iljas ums Leben kam.
Doch Andreas’ Ferien gehen zu Ende, und Jo steht allein mit ihrem Problem da. Sie versteckt Artan im Hypogäum, der berühmten Touristen­attraktion, in der ihr Onkel als Wächter arbeitet. Ihr frecher Bruder Francesco (Martijn Linnarz) hat das beobachtet. Die Sache fliegt auf. Aber Pater Tony findet eine Lösung: Onkel Tumas und Tante Anna werden Artan adoptieren. Dass damit noch längst nicht alle Probleme gelöst sind, wird nach dem Ende des Spiels deutlich, wenn der Alltag in die Schulklasse zurückkehrt. So einfach kann Artan seinen toten Bruder nicht vergessen. Wie wird es mit ihm weitergehen?
Es ist vor allem die Musik, die die emotionale Spannung des Ganzen trägt und in ihrer Vielfarbigkeit die Fantasie so anregt, dass aus dem gelegentlich etwas unkoordinierten Klassenzimmer-Gewusel (bei der Premiere half der Regisseur selbst beim Tischerücken) mitreißendes Theater wird. Beate Meyer-Eppler als Lehrerin und Benedikt Vogt als komischer Professor und vor allem als tüchtiger Pater Tony sorgen für den stabilen Rahmen.
Dass bei dieser nachdenklichen, musikalisch herausfordernden Kinderoper so viele Kinder und Jugendliche mitwirken, dass ihre Zahl die der Zuschauerplätze fast zu übertreffen scheint, gehört durchaus zu den Pluspunkten der Arbeit. Alle Solorollen sind zudem doppelt oder dreifach besetzt, so dass das Stück immer wieder neu zu erleben ist. E.E.-K.

Aufführungsdauer: ca. 80 Min., keine Pause
Nächste Vorstellung: 27.12.08
Im Programm bis: 01.02.09

Samstag, 02.01.2010

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