Powder her face - kultur 36 - April 2007

Die Vergänglichkeit von Lust und Luxus - Powder her face von Thomas Adès im Forum der Kunst- und Ausstellungshalle

Ihr Leben war eine tolle Show. Die Millionärstochter Margaret Whigham (1912 - 1993), seit 1936 Herzogin von Argyll, war das Party-Girl der 30er Jahre: schön, reich, lebenslustig. Cole Porter widmete ihr 1934 den Song „You're the Top“ in dem Musical „Anything Goes“. Der englische Pianist, Dirigent und Komponist Thomas Adès (*1971), ein Shooting Star der internationalen Musikszene, schrieb 1995 eine Kammeroper über das turbulente Leben der „Dirty Duchess“. Powder her Face wurde seitdem auf etlichen internationalen Bühnen inszeniert - dass das Werk ein Glanzstück des zeitgenössischen Musiktheaters ist, bewies jetzt die neue Aufführung in der Reihe „Bonn Chance!“ in der Bundeskunsthalle.
Der Regisseur Werner Schroeter, ein ausgewiesener Spezialist für brüchige, widersprüchliche Frauenfiguren, macht aus der zweifelhaften Geschichte fantastisches Theater auf dem Theater. Spielort ist eine von luftigen roten Vorhängen umgebene Bühne, die gleichzeitig Künstlergarderobe und das Hotelzimmer ist, aus dem die hoch verschuldete Herzogin 1990 vertrieben und in ein Pflegeheim eingewiesen wurde. Neben diesem Schauplatz, der zu Beginn immer wieder geöffnet wird für groteske Standbilder wie Momentaufnahmen aus einer chronique scandaleuse, spielen Mitglieder des Beethoven-Orchesters Bonn in Salonbesetzung. Unter der Leitung von Thomas Wise schlagen sie Funken aus der originell instrumentierten, anspielungsreichen Musik, die sich virtuos quer durch alle Stile bedient und mit atemberaubender Intelligenz der Handlung einen abgründigen, melancholischen Witz einschreibt.
Schroeters Bilderwelt - er zeichnet auch für die brillante Ausstattung verantwortlich - in den acht Szenen mit riesigem Union Jack auf der einen, morbidem Skelett auf der anderen und im Hintergrund einem weißen Fähnchen mit Schroeters pikanter Zeichnung von „Margarets Schutzengel“, denunziert bei aller spielerischen Ironie seine Heldin nie. Die fabelhafte Sopranistin Jennifer Chamandy, die die Rolle der Herzogin schon in mehreren anderen Produktionen gesungen hat, changiert zwischen naiv moralfreier Lulu, kühl berechnender femme fatale und unnahbarer Hohepriesterin der Schönheit und sexuellen Freizügigkeit. Eine bis zur Selbstaufgabe liebeswütige Egozentrikerin, deren strahlendes Leben unaufhaltsam in den tragischen Untergang führt. Ihre orgiastische Fellatio-Arie, zu der Mark Rosenthal als Zimmerkellner sein entblößtes Hinterteil willig in Schwingungen bringt, ist ebenso schrill wie der Scheidungsprozess 1963, bei dem entsprechende kompromittierende Fotos eine wichtige Rolle spielten und ein gefundenes Fressen für die Presse waren. Eva Resch lässt als Geliebte des Herzogs und Klatschreporterin ihre glitzernden Koloraturen perlen wie den reichlich strömenden Champagner. Mark Rosenthals feiner, leichter Tenor elektrisiert zwischen Handwerker-Blaumann, schamlosem Trinkgeldempfänger und Salonlöwe. Der elegante Nikolaus Meer liefert als herzloser Herzog, vernichtender Richter, kalter Hotelmanager und Maître de Plaisir den „Deep-Throat“-Salonlöwen-Bass.
Stumme „Helferlein“ kümmern sich darum, dass Pelze, Puderquasten, Diamanten und schicke Designerkleider bei den richtigen Negligées landen. Brutale „Gaffer“ sind alle drei Hauptfiguren um die glamouröse Herzogin, die die Voyeure anzog wie einen Fliegenschwarm, sich im gefährlichen Licht der Yellow-Press sonnte und an ihrem flüchtigen Ruhm zerbrach. Damals hatte das gelegentlich noch Stil, heute haben wir „Sex and the City“ und Paris Hilton. E.E.-K.


Aufführungsdauer: ca. 140 Minuten, eine Pause
War nur vom 15. bis 23.03.07 im Programm

Mittwoch, 03.10.2007

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