Der Hausmeister - kultur 36 - April 2007

Groteske Tragikomödie - Der Hausmeister von Harold Pinter im Euro Theater

Es könnten auch drei Facetten einer Figur sein, die der Regisseur Peter Tömöry hier auf die Bühne bringt. Er verzichtet in seiner Inszenierung von Harold Pinters Drama Der Hausmeister, dem 1960 erschienenen ersten durchschlagenden Erfolg des englischen Literaturnobelpreisträgers, auf jeden sozialpsychologischen Naturalismus zu Gunsten einer grotesken Künstlichkeit voller hinterhältigem Witz. Ausstatterin Melinda Lörincz hat dafür einen engen schwarzen Kasten auf die kleine Bühne gebaut, in dem kaum zwei Menschen Platz haben und wo sich erst zum Schlussterzett die drei Männer in ihren skurrilen schwarz-weißen Kostümen treffen. Sie sind Kunstfiguren, seltsam verstörte Clowns in einem absurden Zirkus aus Überlebens-Artistik und Lebensangst. Tömöry lässt sie sehr körperlich agieren, mit großen Gesten und kleinen Zeichen durch den rigoros eingestrichenen, auf eine musikalische Sprachpartitur reduzierten Text tanzen - stotternd, Wörter und Phrasen wiederholend, Leitmotive spielerisch auskostend.
Der junge Aston hat den alten Landstreicher und Gelegenheitsarbeiter Davies in seine elende Behausung mitgeschleppt, als ob's ein Königreich wäre. Thomas Franke mit Frack, weißem Schal und nur von einer weißen Kordel zusammengehaltener Hose ist der verirrte König aus der Gosse. Ein Nörgler und Schwätzer, ein widerlicher rassistischer Outcast, der den Ausländern und sonstigen ‚minderwertigen Existenzen' nichts gönnt und sich auf Kosten anderer alles. Die weißen Schuhe zum Beispiel, die er Aston und später auch dessen Bruder Mick abluchst, nur um sie zu eng und untauglich für seine Betteltouren zu finden. Was Aston ihm als guter Samariter zukommen lässt, verschwindet in seinen Fracktaschen. Er ist ein asoziales Monster, hündisch servil und animalisch gemein. Aston redet er mal mit „Chef“ und mal mit „Kumpel“ an, ist angeblich auf der Suche nach seinen existenzsichernden Papieren im Londoner Vorort Sidcup.
Wie der sanfte Aston das Zeitungspapier auf seinen Hockern liebevoll glattstreicht, oder seinen schlafenden Gast damit zärtlich zudeckt, ist anrührend. Davies wühlt auf der Suche nach Brauchbarem in der Vergangenheit seines Wohltäters herum und findet nur die Strippen, mit denen der junge Mann - völlig aussichtslos - an der Instandsetzung des Hauses werkelt. Eine grandiose Szene voller Verzweiflung und Zerstörungswut.
Daniel Andone spielt das große, geistig verkümmerte Kind Aston wie eine nur von seinem Kostüm zusammengehaltene Puppe, die hilflos lächelnd ein paar Wörter aus sich herauspresst und sich nach Zuneigung sehnt. Wie er den großen Monolog über seine von Elektroschocks gestoppte poetische Redseligkeit und die grausame Rückstufung auf eine infantile Unmündigkeit stockend herausschreit, geht direkt unter die Haut. Wenn Davies dieses Geständnis ausnutzt, um sich bei Astons Bruder Mick einzuschleimen, hockt er wie ein Embryo zusammengekauert in der hintersten Ecke seines Schutzraums.
Knut Fehlauer ist der schwarzlederne, agile Hausbesitzer-Macho Mick, der dem Möchtegern-Hausmeister Davies mit brutalen Verhörmethoden und einer absurden Innenausstatter-Arie die Möbel zurechtrückt. Zwischen den immer wieder durch schrille Töne getrennten szenischen Standbildern entwickelt sich eine bedrohliche, aber auch sehr komische Zimmerschlacht.
Wunderbar präzises, messerscharf durchdachtes Schauspielertheater zwischen Commedia dell' Arte, verrückter Sprechoper und unüberwindlicher existenzieller Absurdität. Sehenswert! Zumal im Theaterfoyer derzeit eine Ausstellung der feingliedrigen Grafiken des Buchillustrators Thomas Franke zu sehen ist. E.E.-K.

Aufführungsdauer: ca. 90 Minuten ohne Pause

Mittwoch, 03.10.2007

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