Himmel und Hölle - kultur 72 - Januar 2011

Himmel und Hölle: Lars Reichow im Haus der Springmaus

Noch bevor das erste Lichtlein brannte, am Vorabend des ersten Advents, war Lars Reichow mit seinem Weihnachtsprogramm Himmel und Hölle im Haus der Springmaus zu Gast.
Der Titel ist Programm. Reichow seziert humorvoll die Weihnachtszeit, deren reizvolle Seiten aufgrund enttäuschter Erwartungen und Stress stets in gereizte Stimmung oder Schlimmeres umzuschlagen drohen. Reichow bleibt mit einer Mischung aus Texten und Liedern, bei denen er sich selbst am Piano begleitet, gelassen und erweist sich – selbst Familienvater und ausgebildeter Lehrer – als Kenner der Szene, nicht zuletzt durch profunde Kenntnis der derzeitigen Must-haves des Spielzeugmarktes. Besondere Aufmerksamkeit hat er den geschlechtsspezifisch im Advent zu beobachtenden Phänomenen gewidmet. Während der Mann gegen die Kälte einfach ein aufwärmendes Bier trinke... breche bei Frauen unabänderlich die Dekomanie aus. Aus sorgsam gehorteten Schachteln kämen Schätze zum Vorschein, auf die Spitze getrieben mit „Schalen mit Sachen, die auch die Tiere nicht mehr mitnehmen“! Unabänderlich, ebenso wie die Sucht nach Kerzen und Tee auf Stövchen. Reichow legt den Finger in die konsumbedingten Wunden der Gesellschaft, die plötzlich ein „besinnliches“ Weihnachtsfest feiern soll oder sogar will, aber gar nicht mehr weiß, wie das geht. „Stille Nacht...“ angesichts von Verkehrslärm, in Pappschachteln auf ihre Übergabe wartenden Tieren, Rascheln, Schlürfen und Schmatzen, vielleicht sogar ka­tastrophalen Kochexperimenten? Die Finanzkrise und die unfreiwilligen Einschränkungen hatten durchaus ihr Gutes, wie Reichow mit einer kleinen Weihnachtsgeschichte, bei der eine Familie mangels teuerer Geschenke einfach mal wieder zu sich selbst, zu Gesprächen und gemeinsamen Spielen findet, demonstriert. Eine Geschichte mit den eigentlichen Protagonisten darf in einem Weihnachtsprogramm aber natürlich auch nicht fehlen. Reichow erzählt sie 2000 Jahre in die Zukunft versetzt: vom kleinen Jesus, dessen Traumberuf der des Fußpflegers ist, aber dessen Eltern wollen, dass er etwas „Anständiges“ lernt... Reichow gelingt die Kritik am Mainstream-Weih­nachten, aber mit genug Augen­zwinkern, Herzenswärme und unaufdringlichen Alternativtipps, so dass das Publikum sicherlich nicht mit dem Gedanken, Weihnachten diesmal einfach ausfallen zu lassen, in die Adventsnacht hinausging. Einfach mal wieder ein paar Dinge hinterfragen, ist vielmehr Reichows mit seinem gut pointierten Programm ausgedrückter Wunsch. Ein paar über den Adventskranz hinausblickende Aspekte zum Thema „Himmel und Hölle“ hatte er auch im Gepäck; zum Beispiel das ewige Leid mit den Handwerkern, die für Zeitmangel-geplagte Ehemänner zum Verhängnis werden können, wenn sie wider Erwarten fleißig, pünktlich und preisgünstig sind. Auch die Erfindung der ­­Q-Card, mit der man nie wieder bei Ämtern warten müsse, sei lobend erwähnt! Genial – nur drohe auch hier Wettrüsten z.B. mittels der goldenen Quick-Card...
Lars Reichow (*1964 in Mainz) begann seine Bühnenkarriere musikalisch: Als „Posaunator“ ging er 1982 auf seine erste Tournee – mit Hanns-Dieter Hüsch und dessen Programm „Hagenbuch und die Musik“. Ein Musik- und Germanistikstudium, Schauspielunterricht und ein Stipendium der Richard-Wagner-Stiftung in Bayreuth erweiterten seine künstlerischen Fähigkeiten. Seit 1992 tritt Reichow mit Soloprogrammen auf. Im vergangenen Jahr wurde er mit dem Berliner Kabarettpreis ausgezeichnet, den Deutschen Kleinkunstpreis erhielt er bereits im?Jahr 1997. J.S.

Kaum hatte man die Schreckensnachricht erhalten, dass die Bonner Stadtverwaltung erneut ernsthaft die Schließung der Kammerspiele als Hauptspielstätte des Sprechtheaters erwöge und darüber hinaus auch die Abschaffung der gesamten Schauspielsparte, kam der nächste Schock. Bonn brauche eigentlich keine eigene Oper, wo doch Köln nur 30 Minuten Fahrzeit entfernt sei, warf der Bonner Oberbürgermeister und damals noch kommissarische Bonner Kulturdezernent Jürgen Nimptsch am 20.November als ‚Denkanstoß’ in die Runde bei einem kulturpolitischen Symposion in Köln. Als ehemaliger Leiter der traditionellen Karnevalsproduktion „Cäcilia Wolkenburg“ in der Kölner Oper kennt er das Haus und die winterlichen Reisebedingungen ja gut. Der bevorstehende, wahrscheinlich mehrere Jahre dauernde Umbau der Kölner Oper – ein Randproblem. Das Beethoven-Orchester Bonn, das derzeit mehr als ein Drittel seiner Einnahmen durch Operndienste in Bonn einspielt, könne ja in Köln aushelfen. Oder durch die Welt reisen und das Bonner Markenzeichen Beethoven verbreiten. Weltklasse statt Quantität sei die Zukunftsoption.
Als Ersatz fürs eigene städtische Musiktheater könne ja ein neues Köln-Bonn Tanz-Ensemble aufgebaut werden, was durchaus Sinn macht, aber außer Zeit und Geld auch eine Leitungspersönlichkeit erfordert, die einer solchen Compagnie wirklich ein Profil geben könnte.
Das Sprechtheater müsse erhalten bleiben wegen seiner Bedeutung für Kinder und Jugendliche. Offenbar nicht als kritische Instanz für Erwachsene. Wieso brauchen die Bürgerinnen und Bürger aus Bonn und der Region auch das ganze Jahr über ein hochwertiges vielfältiges Kulturangebot? 178 Euro Kulturausgaben pro Kopf sind sie dem Stadtoberhaupt offenbar nicht wert, wenn Köln mit ca.120 Euro auskommt. Was eine statistische Milchmädchenrechnung ist, wenn man den Kulturhaushalt durch eine Million Einwohner teilen kann und nicht nur durch 300.000. Der Etat der Bühnen der Stadt Köln ist übrigens etwa doppelt so hoch wie der von Theater Bonn. Der kommunale Zuschuss pro Besucher liegt in Bonn deutlich niedriger als in Köln.
Dass der wachsenden, prosperierenden Stadt Bonn wegen des Millionengrabs WCCB der Nothaushalt droht, liegt am Missmanagement der Verwaltung, wofür die Kultur jetzt bluten soll. Wobei selbst die Streichung aller Kulturausgaben das durch den unverantwortlichen Umgang mit Steuergeldern entstandene Millionenloch bei weitem nicht stopfen kann. Nicht das vermeintlich zu teure Theater hat schlecht gewirtschaftet. Es genießt überregional einen guten Ruf, setzt künstlerische Impulse, die Vorstellungen sind sehr gut besucht.
Das Fatale ist, dass die Stadt durch Vorschläge zur Schließung ganzer Sparten ihren Ruf als Kulturstadt selbst ruiniert und ihre Attraktivität als internationale Stadt und Wirtschaftsstandort vermindert. Es ist ein Unding, dass sie die Leistungen ihrer Künstlerinnen und Künstler nicht respektiert, das Publikum vor den Kopf stößt und ihre gewachsene kulturelle Tradition leichtfertig aufs Spiel setzt. Die Kommentare in der regionalen und überregionalen Presse waren entsprechend.
Nach jeder Vorstellung ruft jetzt ein Ensemblemitglied von Theater Bonn zum Widerstand auf. Mehr als 17.000 Menschen, darunter viele Mitglieder der Theatergemeinde BONN, haben bereits mit ihrer Unterschrift gegen den barbarischen Kulturabbau protestiert. Die Internetseite www.jetzt-ist-schluss.theater-bonn.de, auf der Sie regelmäßig die neuesten Infor­ma­tionen zu Aktionen finden, wird ­u. a. von der Theatergemeinde BONN unterstützt.
Die Stadt Bonn plant im Internet eine Bürgerbefragung zu möglichen Sparmaßnahmen. Welche Bereiche dort wie zur Diskussion gestellt werden, ist noch nicht öffentlich bekannt. Vom 18.Januar bis zum 16.Februar 2011 sollen die Bonnerinnen und Bonner nun selbst als „Haushaltsberater“ fungieren. E.E.-K.
In einer Stadt, „die kulturfreudig ist und kulturfreudig bleiben wird“, begrüßte Oberbürgermeister Jürgen Nimptsch den neuen Dezernenten für Kultur, Sport und Wissenschaft Martin Schumacher, der am 1.Dezember sein Amt antrat. Der Stadtrat hatte ihn im September für acht Jahre gewählt.
Schumacher wurde 1955 in Pforzheim geboren. Er studierte Germanistik, Romanistik und Jura und arbeitete lange Jahre für das Goethe-Institut. Er sammelte internationale Erfahrungen u. a. in Jakarta, Montevideo, Italien und Spanien. Anfang des Jahrtausends amtierte er als Generalsekretär des Goethe-Instituts Inter Nationes. Von 2004 bis zu seinem Wechsel nach Bonn war er Dez

Montag, 21.03.2011

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