Herzzeit - kultur 76 - Mai 2011

Verletzliche Liebe: Herzzeit - der Briefwechsel zwischen Ingeborg Bachmann und Paul Celan im Theater Die Pathologie

Zu ihrem 22. Geburtstag am 25.Juni 1948 widmete Paul Celan ihr sein Gedicht In Ägypten. Der 28-jährige Dichter aus Czernowitz hatte sich einige Wochen zuvor in Wien in die Philosophiestudentin Ingeborg Bachmann verliebt. „Du warst, als ich Dir begegnete, beides für mich, das Sinnliche und das Geistige“, schrieb er ihr später. 2008 erschien der Briefwechsel zwischen den beiden bedeutendsten deutschsprachigen Lyrikern der Nachkriegszeit.
In der Pathologie hat Regisseurin Maren Pfeiffer jetzt eine Auswahl daraus szenisch eingerichtet. Die beiden Schauspieler Helga Bakowski (s. auch S. 14/15) und Martin Maria Vogel haben zwar die Texte vor sich, eignen sich die Figuren aber so an, dass mehr daraus geworden ist als eine Lesung. Es ist eine poetische Zwiesprache über Entfernungen hinweg, zärtlich und fremd, sehr persönlich und immer auch besorgt um die eigene schriftstellerische Exis­tenz. Leuchtende Mohnblüten prangen im Hintergrund – viele Gedichte aus Celans Mohn und Gedächtnis (1952), in dem auch die bekannte „Todesfuge“ erschien, waren an Bachmann gerichtet.
Die Lebensentwürfe des jüdischen Dichters, dessen Familie und Freunde dem Holocaust zum Opfer fielen, und der Österreicherin, deren Vater ein Nazi war, blieben unvereinbar. Während sie über Martin Heidegger promovierte, zog Celan nach Paris. Sie hatte etliche Liebesaffären, er heiratete 1952 die Grafikerin Gisèle Lestrange. Celan erhielt 1960 den Büchner-Preis, Bachmann 1964. Celan nahm sich 1970 durch einen Sprung in die Seine das Leben; Bachmann starb 1973 bei einem Brand in ihrer römischen Wohnung.
Auf der Bühne sind sie sich nahe bei den ers­ten Schritten ins literarische Leben; später sitzen sie getrennt an Schreib- und Lesetischen und reflektieren das, was sie zusammen- und auseinanderbrachte. Bakowski spielt ungemein berührend die Entwicklung der Bachmann von der ehrgeizigen jungen Debütantin zur trotz aller Erfolge immer scheu gebliebenen Dichterin, die Wahrheitszumutungen klar benennt und sich dann doch zurückzieht. Martin Maria Vogel spielt den Überlegenen, der wehrlos wütend vor der Kritik und Plagiatsvorwürfen kapituliert und im Literaturbetrieb ein Fremdkörper bleibt. Sie ist die Empfindsame, er der Empfindliche. Die Leidenschaft der beiden flammt auf bei sporadischen Begegnungen, geheime Botschaften von der Lebensangst manifestieren sich in den herbeizitierten Gedichten wie Bachmanns bitter optimistischer Reklame (1956). Die in dem 1967 endenden Briefwechsel aufgehobene Liebe hinterließ viele Spuren im Werk der beiden Sprachkünstler. In ihrem 1971 erschienenen Roman Malina setzte Bachmann dem toten Geliebten in der Figur des Fremden mit dem schwarzen Mantel ein Denkmal: „Mein Leben ist zu Ende, denn er ist auf dem Transport im Fluss ertrunken. Ich habe ihn mehr geliebt als mein Leben.“
Die ca. 60-minütige Aufführung ist über alles Private hinaus auch ein Stück schmerzlicher Literaturgeschichte aus der Zeit nach Auschwitz.E.E.-K.

Aufführungsdauer: ca. 60 Min., keine Pause
Im Programm bis: ?????

Donnerstag, 29.12.2011

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