Rot - kultur 92 - Januar 2013

Rot von John Logan im Euro Theater Central: Starkes Kunst-Stück

Farbe ist ein Erlebnis. Bilder sind keine Dekoration, sondern eine spirituelle Herausforderung. „Jeder Pinselstrich ist eine Tragödie“, sagt der Maler Mark Rothko in dem Stück Rot von John Logan, das der Regisseur Peter Tömöry jetzt im Euro Theater inszeniert hat. Über zwanzig Mal hat der als Ungar in Rumänien geborene polyglotte Künstler schon an diesem kleinen Privattheater gearbeitet, das er als Zentrum internationaler geistiger Auseinandersetzungen versteht. Nach Bonnards Geheimnis des amerikanischen Dramatikers Israel Horovitz hat er nun wieder ein Kunst-Stück auf die Bühne gebracht. Die New Yorker Broadway-Produktion Red von dem amerikanischen Autor John Logan (*1961) wurde 2010 mit mehreren Tony-Awards ausgezeichnet. Seine Drehbücher für die Filme The Aviator und Gladiator waren für den Oscar nominiert, im Kino läuft gerade der neue James-Bond Skyfall, für den er das Skript verfasste.
Logans Mark Rothko ist ein Besessener, radikal egozentrisch, manisch seinen eigenen Mythos pflegend und ebenso manisch depressiv. Der reale Mark Rothko, geboren 1903 im russischen Lettland, 1970 gestorben durch Suizid in seinem New Yorker Atelier, gilt als Hauptvertreter des abstrakten Expressionismus. Seine Farbfeldbilder gehören bis heute zu den teuersten der Welt. Allein 2012 erzielten bei Christies in New York zwei seiner Gemälde Auktionserlöse von 75 bzw. knapp 87 Millionen Dollar. Die 1958 fast ebenso unvorstellbare Summe von 35.000 Dollar sollte auf sein Konto fließen für 40 Wandgemälde im Nobelrestaurant des neuen Seagram-Buildings von Mies van der Rohe in Manhattan.
Fast nichts gekostet hat das Bühnenbild von Melinda Lörincz, deren an Seilen verschiebbare transparente Leinwände immer neue Farbschichtungen zeigen. Fließende Rechtecke mit unscharfen Rändern und subtiler Abschattierung des Farbkörpers Rot, in dem Bruno Tendera faszinierend einen Rothko spielt, der zwischen Selbstvermarktung und Selbstzweifel sein Künstlertum behauptet. Sein Ideal: Caravaggios geniale Lichtführung, Michelangelos skulpturaler Bildaufbau, Rembrandts Farbwerte – konzentriert auf das Wesentliche der Malerei. Drunter tut’s ein Genie wie Rothko nicht.
Diesem kaum dialogfähigen Meister Paroli zu bieten, ist harte Arbeit. Weshalb sein (fiktiver) Assistent Ken sich das antut, ist der eigentliche Plot des Stückes. Der unermüdlich dem Meister dienende junge Mann, der mit Pollock, de Kooning und gar dem „Charlatan“ Picasso liebäugelt, deckt scheinbar naiv die existenziellen Bruchstellen im Denken seines Herrn auf. Stephan Tacke-Unterberg spielt überzeugend den fragenden Kunst-Lehrling. Ist Ken nur ein braves Faktotum des Stars oder ein heimlicher Spion der neuen Avantgarde? Oder ein junger Künstler, der die Vaterfigur seiner Generation ins Abseits befördern will?
Rothkos von ihm als neue „Sixtinische Kapelle“ verklärtes Auftragswerk sollte in Wirklichkeit ein teurer Wandschmuck für reiche Genießer sein. Nach einem Besuch des Luxus-Fresstempels soll der Künstler beschlossen haben, ihnen mit seinem rotglühenden Bilderfleisch den Appetit zu verderben.
Neun seiner inzwischen über die ganze Welt verstreuten „Seagram Murals“ schenkte er der Londoner Tate-Gallery. Eins davon wurde kürzlich wieder von einem Kunst-Vandalen attackiert: Rothkos extrem sinnliches Rot provoziert bis heute. Das Stück Rot kommentiert eher das Unheimliche der Kunst. Es ist ein tollkühnes Schauspiel, das man sehen muss. Und hören, weil es begleitet wird von der sensiblen Klanginstallation Colourfield for Strings, die der britische Musiker Colin Fallows eigens für diese Inszenierung komponiert hat. E.E.-K.

Spieldauer ca. 1 ¼ Stunden, keine Pause
Die nächsten Termine:
25.12. / 26.12.12 / 3.01. / 4.01. /
16.02. / 17.02.13

Donnerstag, 28.02.2013

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