Ein Herz und eine Seele - kultur 91 - Dezember 2012

"Ein Herz und eine Seele" von Wolfgang Menge im Kleinen Theater: Munterer Flaschengeist

Irgendwie gespens­tisch: Ekel Alfred lebt, findet wie eh und je die Politik völlig unfähig, den gesellschaftlichen Werteverfall schlimm und seinen aus der DDR in den Westen übergesiedelten sozialdemokratischen Schwiegersohn Michael als bolschewistischen Unterwanderer von Recht und Ordnung. Der Spießbürger Alfred Tetzlaff mit seinen chauvinis­tischen Parolen ist ein Phänomen mit hohem Wieder­erkennungs­wert und geis­tert seit 1973 mit seinem rechtslastigen kleinen Durchblick durch die große Fernsehwelt. Es gab noch klare Fronten, als der kürzlich mit 88 Jahren verstorbene TV-Autor Wolfgang Menge seine rasch zum Kult avancierte Serie Ein Herz und eine Seele startete. Man muss die Vorlage aber gar nicht kennen, um der reizenden Familie des ewig gestrigen Mini-Patriarchen etwas abzugewinnen, der seine Bildung einem Blatt ähnlichen Namens und seine internationalen Erfahrungen der deutschen Wehrmacht verdankte.
Im Kleinen Theater erklingt jetzt wieder die Erkennungsmelodie des unsterblichen Schwarz-Weiß-Universums des Welterklärers und Hertha-BSC-Fans mit dem leichten Berliner Zungenschlag. Der beliebte „Silves­terpunsch“ wird im ersten Teil des Abends aufgetischt. Josef Hofmann in der Rolle des Alfred Tetzlaff steht im Unterhemd mit Hosenträgern genau so emsig am Herd wie einst der 1999 gestorbene Schauspieler Heinz Schubert. Wobei zum Abschmecken des Gebräus erwartungsgemäß größere Mengen hochprozentiger Flüssigkeiten nötig sind. Zumal Gattin Else, diese „dusselige Kuh“, zwischen heißen Kartoffeln und kräftig gewürztem Gurkensalat den Unterschied zwischen Punsch und Bowle ebenso wenig kapiert wie den zwischen Kiesinger und Kissinger. Ursula Michelis imitiert die großen blonden Vorbilder (Elisabeth Wiedemann / Helga Feddersen) nicht, sondern erschafft sich eine berührende eigene Welt, in der die gemeinen Demütigungen ihrer Hausfrauenexistenz hinter den komischen Funken eine verletzte Seele offenbaren. Mit skurrilem Kopfschmuck ‚pariserisch’ fein gemacht (Kostüme: Silvia Rüger) entlockt sie jedoch nicht nur ihrem Angetrauten Geisterbahn-Assoziationen.
Tochter Rita (Kerstin Baldauf) hat dabei nicht viel zu sagen, denkt sich aber ersichtlich ihr Teil, wenn der Alte mal wieder seine giftigen Sprüche loslässt und der junge Michael (Nikolas Knauf) ihm gelassen die Möbel zurechtrückt.
Die junge Regisseurin Ilka Helbig inszeniert das als hübsche Klamotte im mit liebevollen Details ausgestatteten Bühnenbild von Frank Joseph, wo alle sich zwischen enger Küche und Wohnzimmer ständig aneinander vorbei quetschen müssen.
Das junge Paar kommt erst nach der Pause bei der „Silbernen Hochzeit“ richtig zum Zuge. Die beiden haben sich wirklich alle Mühe gegeben, um das Ehejubiläum festlich zu gestalten. Sogar für eine edle Perlenbrosche haben sie gesorgt, während Alfred seiner Else jeden Gedanken an Geschenke herzlos abgewöhnt hat. Zugegeben: Der Abend im Nobelrestaurant „Royale“ überfordert selbst einen aufstrebenden Feinmechaniker wie Michael. Zumal Alfreds Tischsitten mindes­tens so grenzwertig sind wie seine robusten Französischkenntnisse. Was den stoischen Kellner (Frank Ferner) nicht davon abhält, brav nachzuschenken, bis die Rechnung in etwa dem Alkoholgehalt des Familienfriedens entspricht.
Die hedonistische Toskana-Fraktion war halt noch nicht erfunden, als der Stammtisch-Regent Alfred mit seinem signifikanten Oberlippenbärtchen und seinen Ressentiments die Republik erheiterte. Bei der komödiantischen Bühnen-Revision des TV-Klassikers funktionieren die sauber gesetzten fiesen Pointen jedoch immer noch perfekt. E.E.-K.

Spieldauer ca.2 Stunden inkl. einer Pause

Donnerstag, 14.02.2013

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