Nur das Beste - kultur 71 - Dezember 2010

Nur das Beste: Thomas Freitag im Pantheon (20./21.10.10)

Thomas Freitag (*1950 in Alsfeld/Hessen) ist seit 1974 Dauergast auf deutschen Schauspiel- und Kabarettbühnen. Parallel zu seiner Solokarriere war er von 1977-1986 Ensemble-Mitglied am Düsseldorfer Kom(m)ödchen, wo er im April dieses Jahres mit seinem Best-of-Soloprogramm Premiere feierte.
Nur das Beste bietet er mit Ausschnitten aus seinen Programmen seit den 70er Jahren: einige der schönsten Szenen deutscher Kabarettgeschichte, bei denen Bezüge zum aktuellen Zeitgeschehen sich in beinahe unglaublicher Weise ergeben.
Wir stoßen auf Thomas Freitag in seinem Keller, mürrisch auf der Suche nach einer angeforderten Bescheinigung der Rentenversicherung aus dem Jahr 1972. Ja, die Bürokratie... Freitag wettert über unsinnige EU-Vorschriften und die nicht vorhandene Qualifikation der Spitzenpolitiker: So sei z.B. „weil sie aus Hessen kommt“ Einstellungskriterium, in Freitags Augen eine „intellektuelle Schwerbeschädigtenquote“.
Das Keller-Bühnenbild mit vergittertem Fens­ter und Umzugskartons ist originell und besonders glaubhaft, da der Theatersaal des Pantheons ja tatsächlich im Untergeschoss liegt. Und wie oft, wenn man sich in die eigenen „Archive“ begibt, findet man nicht das Gesuchte, bleibt aber an jeder Menge anderem hängen: Stichworte für Programm-Stationen auf Freitags Zeitreise.
Zunächst alte Fotos: Die Zeit als Messdiener, was angesichts der deutschen Entertainment-Größen Grundvoraussetzung für späteren Bühnenerfolg zu sein scheint. Überhaupt, die Jugendzeit und die Kirche, Thema Beichten: Es galt, etwas zu erfinden, immer wieder Neues. Freitag demonstriert die Beichtstuhlsituation wunderbar mittels eines Heizungsgitters. Heute hingegen seien Pfarrer für die Jugend nicht nur keine Autoritäten mehr, sondern selbst in Verruf geraten.
Stimmenimitationen sind Freitags besonderes Talent. Eine der originellsten Szenen ist die Seniorenheim-WG Strauß-Wehner-Brandt. Alle drei haben hier ihren eigenen Ortsverein gegründet, schließlich kommt Marcel Reich-Ranicki hinzu und heizt dem Wettstreit ein!
Freitags Jahrzehnte-umfassender und über die deutschen Grenzen herausreichender Blick zeigt Konstanten, die nur allzu gern übersehen werden: von Landminen gespickte Felder in ehemaligen Kriegsregionen zum Beispiel. Oder, fast vor der Haustür, zweifelhafte Tier- und Menschenversuche der Arzneimittelforschung: Der 26 Jahre alte Kurzfilm gibt sein Alter allenfalls durch optische Details preis. Für das Update 2009 kommt nur noch das Selbstoperationskrankenhaus hinzu, das Freitag in perfekter Ulla-Schmidt-Imitation präsentiert.
Viele Skurrilitäten des Alltags mehr hat er aufgespürt, vieles nur auf den ersten Blick zum Schmunzeln, da von bitteren Wahrheiten unterlegt.
Und ist das gesuchte Versicherungsdokument wieder aufgetaucht? Ja... aber in einer buchstäblich umwerfenden Marcel-Reich-Ranicki-in-Rage-Nummer wurde es kurzerhand zerrissen: „Was ist denn das für ein Blödsinn?". Schlecht für Freitags Rente, aber dafür, dass er auf diese auch noch nicht wirklich angewiesen ist, war dieser energiegeladene gelungene Abend Beweis genug! J.S.

Montag, 21.03.2011

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