Between Sky and Earth - kultur 71 - Dezember 2010

Afrikanische Glückseligkeit in der Oper

Nach der Absage des koreanischen Gastspiels in der beliebten Reihe „Highlights des internationalen Tanzes“ war es dem Theater Bonn gelungen, kurzfristig die Compagnie Georges Momboye zu gewinnen. Es hat sich gelohnt – davon war das Publikum im gut gefüllten Opernhaus nach der mitreißenden afrikanischen Show restlos überzeugt. Der aus einem Dorf an der Elfenbeinküste stammende Tänzer und Choreograph Georges Momboye studierte in seinem Heimatland und im Senegal klassischen, modernen und afrikanischen Tanz. 1992 gründete er in Paris seine eigene Compagnie, die rasch international bekannt wurde. Weltruhm erlangte er 2003 als Choreograph von André Hellers Spektakel Afrika Afrika, das ihn zu seinen Wurzeln auf dem schwarzen Kontinent zurückführte.
Das 2005 uraufgeführte 70-minütige Stück Boyakodah (das Wort bedeutet in einem Dialekt der Elfenbeinküste „Glückseligkeit“) schildert lustvoll das Leben in einem afrikanischen Dorf. Die vier Live-Musiker fachen mit rasanten Rhythmen das Bühnengeschehen an. Die Schlagtechnik der Hände des Djembé-Trommlers ist atemberaubend. Als Tanz der Erde und der Füße charakterisiert Momboye den traditionellen Bewegungsstil der Elfenbeinküste. Seine fünf dunkelhäutigen Tänzerinnen und sechs Tänzer machen das zum sinnlichen Ereignis. Ihre nackten Füße wirbeln über den Boden, ihre Körper schütteln sich wie in Trance zu den immer schneller werdenden harten Klängen der Perkussionsinstrumente. Sie stampfen mit Holzstöcken, toben muskulös geschmeidig durch die Szenen und spielen am Ende fröhlich mit den hellblauen Tüchern, die sie aus dem Kostüm der als große Mutter auftretenden kraftvollen Sängerin und Tänzerin Aissata Kouyaté gezupft haben. Mörser und Stößel symbolisieren Sexualität, lebensspendende Speise und natürliche Kreativität. Wie ein Stammeshäuptling bewacht ein Tänzer im Hintergrund die Dorfrituale, die unter Gelächter schon mal munter oder böse ausufern. In die Ensembleszenen mischen sich immer wieder fast klassische zärtliche oder aggressive Duette und Trios. Oder berührende Momente von Verletzlichkeit, in denen eine gazellenhafte Frau ein­knickt und gestützt werden muss.
Vor den mit überschäumendem Temperament getanzten folkloristischen Hauptteil hatte die Compagnie eine andere Facette ihres Schaffens gestellt. Aus dem 2009 uraufgeführten Stück Between Sky and Earth zeigte sie ihre von vier Männern virtuos getanzte knapp halbstündige Version von Bela Bartóks viertem Streichquartett. Am Anfang und am Ende stehen sie auf dem Kopf in Momboyes abstrakter Choreographie, die exakt der Symmetrie von Bartóks sehr rhythmisch konzipierter Musik folgt und extrem genau die versteckten Emotionen aufdeckt. Im zentralen lyrischen Andante kämpfen sie mit massiv geerdeter Spannung um die Loslösung der Körper voneinander; in den flankierenden schnellen Sätzen wagen sie effektvoll kämpferische Sprungfiguren und finden im finalen Allegro doch wieder zusammen. Keine große Erzählung, aber ein tänzerisch erhellender afrikanischer Blick auf europäische Musik, die Momboye als Tanz der Lüfte definiert.
E.E.-K.

Montag, 21.03.2011

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