12 Punkte für ein bisschen Frieden - kultur 73 - Februar 2011

GRAND PRIX-FIEBER: 12 Punkte für ein bisschen Frieden im Kleinen Theater

Das Timing ist perfekt: Schließlich ist Deutschland im Grand-Prix-Fieber, seit Lena im vergangenen Sommer den Sieg davontrug und Düsseldorf sich für eins der weltweit größten TV-Ereignisse 2011 rüstet. Begonnen hat alles mit dem 1956 zum ersten Mal von den Europäischen Rundfunkstationen veranstalteten „Grand Prix Eurovision de la Chanson“, der inzwischen „Eurovision Song Contest“ heißt und jährlich im Land des Vorjahressiegers ausgetragen wird. Den größten ESC-Hit landete 1958 der Italiener Domenico Modugno mit Volare, von dem es zahllose Cover-Versionen gibt und der als „Finale“ aus deutschen Fankehlen bei der letzten Fußball-WM ertönte.
Natürlich darf Volare (in durchaus eigenwilligen Übersetzungen) nicht fehlen beim Rückblick der Familie Malente auf 50 Jahre Grand Prix. Obwohl der klare Favorit der vier stimmgewaltigen Komödianten Waterloo von Abba ist. Dabei kann das Publikum auch besser mitsingen als bei Satellite, mit dem Lena charmant kunstlos die Herzen eroberte. Über zehn Millionen Zuschauer gaben per Telefon oder SMS ihre Stimme ab. Mit den diversen Spielregeln halten sich die Malentes aber nicht lange auf in ihrer neuen Comedy-Show 12 Punkte für ein bisschen Frieden. Der schönste Grand Prix aller Zeiten!, mit der sie seit Dezember 2010 im Kleinen Theater Bad Godesberg zu Gast sind. Nach ihren schrägen Revuen Souvenirs, Mit 17 hat man noch Träume und Musik ist Trumpf nun schon zum vierten Mal.
Auf viele Punkte hoffen sie bei ihrem parodistischen Schlager-Feuerwerk allerdings in Moldibeidschan, das irgendwo am Kaspischen Meer zu liegen scheint und die Wettbewerbskriterien nur teilweise erfüllt. Aber Ein Lied kann eine Brücke sein, und Katja Epsteins Wunder gibt es immer wieder im Theater, dem Song, mit dem sie beim ESC 1980 auf den zweiten Platz kam.
Die Lichtmaschine zaubert elektronische Farbspiele in den Raum, ein Hingucker sind die in Windeseile gewechselten Kostüme und Perücken. Die Brüder Peter und Vico Malente müssen auf hochhackigen Plateau-Silberstiefeln zwar schon aufpassen, dass sie nicht an die Deckenscheinwerfer stoßen, sind aber in ihren musikalisch perfekt arrangierten Medleys aus den schönsten Liedern eines halben Jahrhunderts einfach unschlagbar. Von La det swinge bis Wadde hadde dudde da ist nichts vor ihrer mimischen, tänzerischen und sprachlichen Ironie sicher. Wencke Myrhes Ein Hoch der Liebe kriegt Peter sogar auf Norwegisch hin, was zum Einsatz der skandinavischen Fähnchen bei den mit Jubelmaterial bestens versorgten Zuschauern führt.
Als starke Frauen mit echten Gefühlen erweisen sich Bianca Arndt als Angelina und Christin Deuker als Maggy T., die Puppet on a String von Sandie Shaw ebenso gut drauf haben wie Poupée de cire von France Gall und die Primaballerina von Siw Malmkwist. Auf Dschinghis Khan ist ebenso Verlass wie auf Guildo hat euch lieb. Und selbstverständlich auf Ein bisschen Frieden, mit dem 1982 die17-jährige Nicole als erste Deutsche siegte. Im schwarzen Samtkleid mit bravem Tüllkragen und weißer Gitarre taucht sie gleich vierfach auf in der verrückten Show der Hamburger Kult-Truppe, die mit unverschämter
Perfektion so ziemlich alles durch den Kakao zieht, was als europäisches Liedgut zwischen Ukraine, Baltikum und Atlantik gepriesen wurde. Für unerschrockene Schlagerfans ein echtes Vergnügen, auch wenn man nicht ganz sicher ist, ob das Fähnchen auf dem eigenen Sitz für Rumänien oder Andorra geschwungen werden soll. Sicher ist: Für Europas next Topsong muss man nicht in die NRW-Hauptstadt reisen, wenn man in Bonn fast alle Lieder konkurrenzlos unernst erleben kann. Alle Vorstellungen im Kleinen Theater waren im Nu ausverkauft. E.E.-K.

Aufführungsdauer: ca. 2½ Std., eine Pause
Im Programm nur bis: 23.01.11

Dienstag, 01.02.2011

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