Jesus Christ Superstar - kultur 100 - November 2013

in der Oper

Musical-Passion

Judas macht sich Sorgen, dass die Sache mit Jesus aus dem Ruder läuft. Dass die große Bewegung, die der Nazarener angestoßen hat, Schaden nehmen könnte durch den Personenkult, den er um sich aufgebaut hat. Überall jubelt man ihm als Messias zu und feiert ihn als Superstar. Doch die Massen sind wankelmütig. Nur eine Woche später werden sie seine Kreuzigung verlangen.
Andrew Lloyd Webber stand ganz am Anfang seines Aufstiegs zum weltweit erfolgreichs­ten Musicalkomponisten, als 1971 seine zusammen mit dem Librettisten Tim Rice verfasste Rock-Oper Jesus Christ Superstar in New York uraufgeführt wurde. Es war die Blütezeit der aus der Hippie-Kultur hervorgegangenen Jesus-People-Bewegung. Wie gut das Werk mehr als 40 Jahre später immer noch funktioniert, beweist die neue Inszenierung von Gil Mehmert im Bonner Opernhaus. Es ist kein nettes Unterhaltungs-Musical, die gelegentlich erhobenen Blasphemie-Vorwürfe laufen gleichwohl ins Leere. Es zeigt durchaus ernsthaft die letzten Tage im Leben Jesu, aber es zeigt ihn als Mensch mit allen Schwächen und Ängsten.
Der stimmlich hervorragende Mark Seibert verkörpert ihn als strahlenden jungen Mann, der seine Attraktivität genießt. Ein brillanter Anführer, der freilich auch Zweifel hat an seiner göttlichen Mission. Eindrucksvoll behauptet sich daneben David Jakobs als Judas. Zornig ist er auf den Mann, dem er voller Bewunderung folgte und der nun scheinbar das große Ziel aus den Augen verloren hat. Wütend ist er zudem, weil Jesus sich eingelassen hat mit der Prostituierten Maria Magdalena. Mit anrührender Emotionalität fragt sich in dieser Rolle die großartige Patricia Meeden, wie sie diesen seltsamen Jesus lieben solle, der so ganz anders ist als die vielen Männer, mit denen sie das Bett teilte. Als Büßerin erscheint sie indes nicht in ihrem recht knappen Outfit (Kostüme: Beatrice von Bomhard).
Nur wenig bekleidet taucht auch Pilatus (Mark Weigel) auf nach seinem Albtraum von einem, dessen Tod Millionen von Menschen beweinten. Das geht unter die Haut wie später auch die brutale Auspeitschung Jesu, mit der Pilatus vergeblich das aufgebrachte Volk zu befriedigen sucht. Aus dem Schnürboden herab schweben der Hohepries­ter Kaiphas (Alexey Smirnov, neuer Bass im Opern-Ensemble) und sein Kollege Hannas (Mark Weigel mit extrem hohen Tönen), wenn sie beschließen: „This Jesus Must Die“. Eine perfekte Kabarett-Nummer liefert der steppende Herodes (Dirk Weiler).
Gesungen, getanzt und gespielt wird auf einem Niveau, das sich in jeder Metropole sehen und hören lassen könnte. Ordentlich krachen lässt es die auf halber Bühnenhöhe im Hintergrund platzierte Band, die das Geschehen aber auch sensibel zu begleiten versteht. Mit Jürgen Grimm, dem musikalischen Leiter der gesamten Produktion, am Piano liefert sie einen mitreißenden Sound. Ganz ungewohnte Seiten seines Könnens beweist der Opernchor unter seinem neuen Leiter Volkmar Olbrich, unterstützt vom Jugendchor, den die bewährte Ekaterina Klewitz einstudiert hat. Eine Menge Bewegung (Choreographie: Kati Farkas) auf die von Beatrice von Bomhard bestens show-tauglich ausgestattete Bühne bringen etliche Studierende der Folkwang-Universität Essen, wo der Regisseur Gil Mehmert als Professor für Musical tätig ist. Als große Show inszeniert er den Prozess gegen Jesus mit Cheerleader-Girls, Popcorn- und Bierverkäufern und spaßsüchtigem Volk. Bis ein riesiges gläsernes Kreuz aufgerichtet wird, an dem der Superstar sein Leben aushaucht. Und dieselben, die eben noch lauthals Jesu Tod gefordert haben, stellen nun Lichter und Blumen an den Fuß des Kreuzes. Das ist so bitter wie Judas‘ Einsicht, dass sein Verrat nichts genützt hat. Aber notwendig war, damit sich das erfüllt, was vor knapp 2000 Jahren begann. Es ist eine der größten Geschichten der Menschheit und lädt auch nicht ganz bibelfes­te Zuschauer ein, über die Gründung des Chris­tentums nachzudenken. Jesus rockt!
Der überzeugte, lange Premierenbeifall galt dem ganzen tollen Ensemble und ging schnell in Standing Ovations über. E.E.-K.
Spieldauer ca. 2¼ Stunden,
inkl. einer Pause
Die nächsten Termine: 2.11./9.11./17.11./23.11./24.11./11.12./
19.12./21.12./27.12./31.12.

Donnerstag, 28.11.2013

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