Jephtha - kultur 93 - Februar 2013

Jephtha von Georg Friedrich Händel in der Oper: Grandioses Psychodrama

Nach Saul und Belsazar war Jephtha der dritte Teil der legendären Händel-Trilogie, mit der der Regisseur Dietrich Hilsdorf im ersten Jahrzehnt des 3. Jahrtausends mit alttestamentarischer Wucht das Bonner Publikum begeis­terte. Im Dezember 2012 wurde seine Jephtha-Inszenierung wieder aufgenommen und bewies erneut, welch ungeheure Dramatik in Georg Friedrich Händels eigentlich gar nicht für die Opernbühne bestimmten Oratorien steckt. Hilsdorf lässt auch im düsteren Jephtha, diesem letzten großen Werk des Komponisten, das er 1751 mühsam seiner beginnenden Erblindung abrang, hinter dem biblischen Stoff die Entstehungszeit in voller Pracht durchscheinen. Die musikalische Leitung hat nun der Barockspezialist Andreas Spering übernommen, der das Beethoven Orchester Bonn sehr umsichtig und energisch dirigiert und eine wunderbare Klangtransparenz schafft für das hintergründige Psychodrama.
Zebul, der Hohepriester der israelischen Gileaditer (darstellerisch und gesanglich glänzend wie bereits 2005: der Bass Martin Tzonev), braucht politische und militärische Unterstützung im Kampf gegen die Tyrannei der heidnischen Ammoniter. Sein einst verstoßener Halbbruder Jephtha soll die Befreiungsschlacht anführen. Er nimmt die Herausforderung an, will aber bei einem Sieg auch oberster Befehlshaber bleiben. Ein fatales Gelübde wird ihm jedoch zum Verhängnis. Er verspricht seinem Gott Jahwe, das erste Lebewesen zu opfern, das ihm nach einer ruhmreichen Heimkehr vor die Augen tritt. Zebul sorgt dafür, dass dies Jephthas einziges Kind ist.
Der junge ungarische Tenor Tamás Tarjányi (s.auch S.14/15) hat sich der großen sängerischen und darstellerischen Herausforderung gestellt, die Titelrolle zu verkörpern. Er macht das stimmlich und darstellerisch perfekt, lotet die emotionalen Brüche der Figur präzis aus und zeigt einen Menschen, der als glänzender Sieger alles verliert.
Die Albträume und Warnungen seiner verzweifelten Gattin Storgé (großartig: Susanne Blattert) schlägt Jephtha in den Wind. Tochter Iphis möchte am liebsten an der Seite ihres Vaters mitkämpfen. Julia Kamenik ist mit ihrem hellen Sopran die knabenhafte Streiterin, die ihren geliebten Bräutigam Hamor (exzellent: der russische Countertenor Artem Krutko) für die große Sache abblitzen lässt und sich selig keusch opfern will.
Jephtha schwingt schon das tödliche Beil, wenn göttliche Rettung vom Bühnenhimmel rauscht. Ein goldener Engel gebietet mit dem überirdisch schönen Sopran von Emiliya Ivanova Einhalt. Zebul hat diesen Theatercoup als verteufelt humane Komödie inszeniert. Symbolisch geköpft wird nur eine Puppe. Aber Jephthas Familie ist auch ohne vordergründig tragisches Ende für immer zerstört.
Im Bühnenbild von Dieter Richter ist eine von den Spuren der Unterdrückung gezeichnete Synagoge der Schauplatz, aus dem ein Steg bis in den Zuschauerraum ragt mit einem rauchenden Gitterrost für die alltäglichen Menschenopfer. Zum Protestchor der Juden gegen die grausame Herrschaft des fremden Gottes Moloch werden Einzelne aus der Masse gewaltsam dorthin geschleift. Die neuen Sieger werden später nicht weniger brutal mit ihren Gefangenen verfahren.
Der fabelhaft gute Bonner Opernchor unter der Leitung von Sibylle Wagner ist nicht nur musikalisch ein Hauptakteur der bitterbösen Geschichte. Er ist das Volk, das jubelt und vernichtet. Jephtha hat dem Tod ins Auge geschaut, dabei seinen Glauben an jeden Gott verloren und wird keine Nachkommen haben. Storgé wird ihrem Gatten niemals mehr vertrauen. Die aus höchster Not errettete Iphis muss sich ewiger Jungfräulichkeit weihen, Hamor ertränkt seine Frustration im Suff.
Geblieben ist die geradezu antike Tragödienwucht dieser biblischen Geschichte, die emotional zutiefst berührt. Wer diese verdammt ernste Jephtha-Aufführung verpasst, hat’s nicht besser verdient. Sie zum zweiten Mal zu erleben, schadet gewiss auch nicht. E.E.-K.

Spieldauer ca. 3 Stunden inkl. einer Pause
Weitere Termine:
27.01. / 1.02. / 15.02. / 28.02.13

Donnerstag, 12.09.2013

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