Der Ritter aus Taiwan - kultur 89 - Oktober 2012

Der Ritter aus Taiwan von Florian Battermann im Contra-Kreis-Theater: Muntere Zeitreise

Fantasy-Geschichten haben eine merkwürdige Affinität zum Mittelalter. Die Ritterzeit verkauft sich gut. Dachte wohl auch der Verleger der erfolgreichen Krimi-Autorin Lisa Sander, als er sie zu einem historischen Roman animierte. Leider lassen die guten Ideen auf sich warten, und der Termin der Buchmesse naht bedrohlich. Dass ausgerechnet Sohn Felix ihren Geschichtskenntnissen einen produktiven Schub verleihen könnte, ist eher unwahrscheinlich. Der charmante Sprössling beschäftigt sich mit physikalischen Schubkräften und hat dabei die Mindeststudienzeit bei weitem überschritten. Dennoch scheint der Stephen-Hawking-Fan was gelernt zu haben: Die Semesterferien im Hotel Mama nutzt er recht kreativ.
Deren literarische Mordfantasien haben sich offenbar gelohnt. Das von Horst Neumann auf die Contra-Kreis-Bühne gebaute hübsche Sylter Haus signalisiert geschmackvollen Wohlstand. Ein wenig nach Heimwerkermarkt sieht dagegen der niedlich blinkende und dampfende Apparat aus, den Felix stolz als Ergebnis seiner Forschungen präsentiert: Eine echte Zeitmaschine! Dem Ding entsteigt nämlich in voller Ritterrüstung der edle Volkwin von Hornburg, der an der Seite Heinrichs des Löwen manch tapfere Schlacht überstand und ziemlich flüssig einige mittelhochdeutsche Verse beherrscht. Als Retter beim Kampf mit dem leeren Laptop ist der ritterliche Gewährsmann aus der Blütezeit des Minnesangs wirklich Gold wert. Zumal er ziemlich schnell Hochdeutsch lernt und nicht nur im schweren Kettenhemd, sondern auch im neuzeitlichen Jackett (Kostüme: Anja Saafan) gute Figur macht.
Erfunden hat ihn der versierte Komödienautor Florian Battermann, dessen Stück Suche impotenten Mann fürs Leben vor der Sommerpause im Contra-Kreis die Beziehungsturbulenzen volljähriger Stadtbewohnerinnen beleuchtete.
Den Ritter aus Taiwan, zum Saisonbeginn in der munteren Regie von Contra-Kreis-Chef Horst Johanning uraufgeführt, hat Battermann der beliebten Schauspielerin Heidi Mahler und deren Gatten Michael Koch auf den Leib geschrieben. Zuletzt war das Paar 2007 im Contra-Kreis zu Gast mit der sensiblen Best-Ager-Komödie Frühstück bei Kellermanns. Die beiden wohnen übrigens privat in der Eifel, können also nach den Vorstellungen noch nach Hause fahren.
Michael Koch ist zudem promovierter Altertumswissenschaftler, was aber nur kurzweilig gefragt ist. Volkwin verfolgt durchaus heutige Pläne. Ebenso wie der sympathische Felix alias Christian Richard Bauer. Der junge Schauspieler, seit 2011 regelmäßig am Hamburger Ohnsorg-Theater tätig, erweist sich als wirklicher Glücksgriff. Für ein wenig Unordnung sorgt der freundliche Ordnungshüter Jens Jensen. Olaf Kreutzenbeck spielt herrlich komisch den Polizisten, der ein Faible für die Krimi-Schriftstellerin hat und mit entsprechendem Spürsinn einigen Ungereimtheiten auf die Spur kommt. Dass nicht alles mit rechten Dingen zugeht, ahnt auch Lisa, spielt aber beherzt mit. Ohnsorg-Gewächs Heidi Mahler, Tochter von Heidi Kabel und Hans Mahler, ist das Zentrum der übersichtlichen Geschichte. Ihr selbstbewusster trockener Humor und ihre leicht ironische Gelassenheit tragen die Aufführung. Das Schreiben wird durch die Erscheinung aus dem Mittelalter jedenfalls beflügelt. Deren fernöstliche Wurzeln sind zwar kaum der Rede wert, aber wenn’s der Sache dient, immerhin verzeihlich. Der geistreiche historische Seitensprung ist fraglos familienfreundlich.
Eine Zeitmaschine sei ganz einfach zu bauen, hat der Physik-Theoretiker Stephen Hawking gesagt. Man brauche nur eine entsprechende Beschleunigung. Der Haken ist: Man kann damit nur in die Zukunft reisen, nicht in die Vergangenheit. Mit der Gegenwart kann man aber auch ganz zufrieden sein, wenn sie so amüsant von einem reizenden Quartett auf der Bühne präsentiert wird. E.E.-K.

Spieldauer ca. 2 Stunden inkl. einer Pause
Täglich außer montags auf dem Spielplan bis 4.11.12

Dienstag, 13.11.2012

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